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Mittwoch, 30. März 2011

Frankfurter Rundschau verliert Eigenständigkeit

Für mich ist auch eine Meldung in eigener Sache: Die Frankfurter Rundschau verliert ihre Eigenständigkeit. Das meldet die Süddeutsche Zeitung: "Die überregionale Berichterstattung der Zeitung, das bestätigten am Mittwoch mehrere an ihrem Umbau beteiligte Personen, soll künftig komplett in der Hauptstadt bei der Berliner Zeitung gebündelt werden, die ebenfalls zur Verlagsgruppe M. DuMont Schauberg gehört. Die dort ansässige DuMont Redaktionsgemeinschaft beliefert das Blatt - wie den Kölner Stadtanzeiger und die Mitteldeutsche Zeitung - bereits seit vergangenem Jahr mit politischen Berichten von bundespolitischer Bedeutung."

Donnerstag, 24. März 2011

Das tolle unsägliche iTunes

Irgendwann werde ich zu irgend einer Apple-Zentrale fahren und alles kurz und klein schlagen. Gelten Apple-Geräte als Inbegriff der Nutzerfreundlichkeit so ist der iTunes-Store das volle Gegenteil. Irgendwann fing es an. Vor ein paar Jahren. Da hat sich auf einmal das Musikformat bei den Downloads geändert. Die Dateigröße wurde doppelt so groß und nach dem Download musste jedes Lied einzeln für mehrere Minuten auf mysteriöse Weise "bearbeitet" werden. Der Download eines einzelnen Albums dauert nun schnell mal 20 Minuten. Das ist in heutigen Zeiten vollkommen inakzeptabel. Jetzt gerade zum Beispiel bin ich auf dem Sprung, will nur noch ganz schnell ein Album runterladen, um es mitzunehmen. Und es dauert und dauert und dauert. Und das liegt nicht an meiner Internetverbindung. Nebeneffekt ist übrigens, dass sobald iTunes mit dem Herunterladen beschäftigt ist, der ganze Rechner super langsam wird. Das ist auch nicht normal. Wirklich, sobald es eine gute Alternative zu iTunes gibt, bin ich weg. Bei Amazon kann man ja auch schon Songs runterladen. Sogar ganz ohne Rechteschutz. Bloß leider erst sehr wenige.

In welchem Jahrhundert leben bloß die TV-Sender?



Vampir-Filme haben stehen nicht unbedingt im Ruf, anspruchsvoll zu sein. Erst Recht nicht nach Twilight. True Blood ist das Gegenteil. Eine Serie, wie es sie lange nicht mehr gab. In Deutschland sendet RTL2 die Serie seit dem 16. März aus, immer mittwochs um 22.15 Uhr. Aber jetzt mal ernsthaft: Wer schaut sich Serien noch im Fernsehen an?

Es tut mir immer Leid für die Sender und ich weiß, dass es natürlich ein Problem ist, wenn die Leute sich alle Serien nur noch kostenlos im Internernet anschauen. Aber alles andere ist doch mittlerweile völlig weltfremd. RTL2 müsste zumindest die Folgen für eine passable Gebühr als Online-Stream verfügbar machen. Aber das verstehen die Leute in diesem Business nicht, oder? Wo klemmt es eigentlich? Lohnt es sich einfach nicht, weil die Online-Rechte für mehrere Monate, wenn nicht unbefristet, zu teuer wären? Ich verstehe es nicht. Hier gibt es die Serie jedenfalls zu sehen: http://kino.to/Stream/True_Blood.html (am besten Megavideo)

Samstag, 19. März 2011

Kapitulation

Irgendwann ist es bei der Arbeitsbelastung und den Honoraren vieler journalistischer Tätigkeiten auch mal vorbei.

Libyen: Scham für die deutsche Feigheit

Karl Grobe, Redakteur a. D. der Frankfurter Rundschau, schreibt in einem Leitartikel: "Der Beschluss, sich nicht am Krieg [in Libyen] zu beteiligen, ist und bleibt richtig. [...] Da schwingt die Einsicht mit, was der nun zehnjährige Krieg in Afghanistan bewirkt hat."

In Afghanistan sind allerdings die USA eingefallen, weil sie sauer auf die Taliban waren, auf Gaddafi ist der Westen nicht sauer, er ist empört über ihn. Die Afghanen haben auch nicht selber versucht, ihr Land zu befreien. Und wer sagt, dass nach einer deutschen Beteiligung in Libyen die Bundeswehr zehn Jahre dort stationiert sein müsste? Das eine muss eben nicht zum anderen führen. Das denken nur Menschen ohne Rückgrat. Und wo ist der Vergleich? Gibt es Taliban in Libyen? Der Einsatz ähnelt wohl eher dem Kosovo-Einsatz.

Die schwarz-gelbe deutsche Regierung geht mal wieder den butterweichen Weg, bloß keinen Ärger einhandeln. Wieso glaube ich, dass selbst eine grüne Regierung anders entschieden hätte? Die Weltgemeinschaft kann froh sein, dass Sarkozy Haltung hat. Man kann viel an ihm kritisieren, aber in diesen Tagen, steht er für die einstige Größe Frankreichs. Deutschland hingegen wird zum Spott seiner selbst und der Werte, die es so hochhält. Ich schäme mich für meine Regierung.

Nachtrag: 17.10 Uhr: Frankreich verteidigt mit Kampfjets die Stadt, viele andere Länder wollen auch helfen. Deutschland schaut zu. Vielleicht besser so, sonst lässt ein deutscher Oberst am Ende wieder Bomben auf Tanklastzüge und 100 Zivilisten fallen.

Donnerstag, 17. März 2011

Bleibt Gaddafi?

Lässt der Westen wirklich zu, dass Gaddafi Libyen zurückerobert? Lassen wir es zu, dass unsere Regierungen nicht handeln?

Mittwoch, 16. März 2011

Wir arme 30-Jährige

Zufällig gerade über die Videoreihe von Spiegel Online gestolpert: "Die 30-Jährigen - eine Generation auf der Suche". So langsam reicht es mir mit diesen Beiträgen über die armen, armen 30-Jährigen meiner Generation, die wir behütet aufgewachsen sind, das Studium finanziert bekommen haben, uns entfalten und entwickeln konnten wie wir wollten - es aber eigentlich ungeheuer schwer haben. Und dann noch diese böse beschleunigte Welt mit all den verwirrenden Möglichkeiten des digitalen Zeitalters, dazu die Globalisierung, die uns Fabrikarbeitern im Geiste die Jobs wegnimmt. Es ist schon schwer, wenn man sich entscheiden muss, ob man Nachwuchs haben oder lieber erst noch eine Indienreise machen möchte. Ja, wir sind schon eine besonders gepeinigte Generation.

Dienstag, 15. März 2011

AKW-Populismus

Sieben deutsche Atomkraftwerke werden vorübergehend abgeschaltet. Was für politischer Populismus. Etwas sinnloseres habe ich noch nicht gehört. Auf einmal sind die AKWs nicht mehr sicher, oder wie? Wenn schon dann bitte, insofern versorgungstechnisch möglich, komlett und dauerhaft vom Netz nehmen, wie es mit Biblis A geschieht.

Sonntag, 13. März 2011

Japan

Das Ausmaß der Tsunami-Katastrophe von Japan macht sprachlos und der Höhepunkt dürfte noch nicht einmal erreicht sein. Vorgestern war von weniger als 100 Toten die Rede, jetzt bereits von 10.000. Alleine die Zahl der Einzeltragödien ist nicht zu erfassen. Ein Schiff mit 80 Passagieren: verschwunden. Ein ganzer Zug: verschwunden. 200-300 tote Kinder im Meer. Reaktorunfälle. Die Bewohner ganzer Städte werden panisch geflüchtet sein. Japan dürfte den Rest des Jahres in den Medien bleiben. Wie werden die Reporter der großen deutschen Häuser damit umgehen? Viele dürften schon ihre Koffer gepackt haben, etliche sind bereits da. Doch wie verschafft man sich überhaupt einen Überblick inmitten solch einer nationalen Katastrophe?

Spiegel-Bangkok-Korrespondent Thilo Thielke landete schon am Samstagnachmittag Ortszeit in Tokio - als die Reaktorhülle von Fukushima 1 explodierte.

Spiegel-Chefredakteur Georg Mascolo hat derweil den Druck des Blattes gestoppt, um noch einmal die Titelgeschichte zu ändern. Wann gab es das schon mal beim Spiegel?

Mittwoch, 9. März 2011

Migranten für die Medien: Journalismus-Ausbildung am Bildungswerk Kreuzberg

Am 30. November 2010 hat das Bildungswerk Kreuzberg (BWK) in Berlin den ersten Jahrgang der Bikulturellen Crossmedialen Fortbildung für Migranten in die Arbeitswelt entlassen. Projektleiter Uwe Schulte über neue Leserschaften, Konflikte im Unterricht und warum die Ausbildung schon wieder vor dem Aus steht.

(Dieses Interview erschien in stark gekürzter Fassung im Dezember 2010 in Medium Magazin).


Uwe SchulteHerr Schulte, wozu braucht es eine Journalistenschule für Menschen mit Migrationshintergrund?

Wenn die Demokratie Ernst genommen werden soll, müssen die Medien die Realität so wiedergeben, wie sie von der Bevölkerung wahrgenommen wird. Jeder Fünfte in Deutschland hat einen Migrationshintergrund, aber nur rund eineinhalb Prozent der Journalisten.

Das mag sein, aber Menschen mit Migrationshintergrund können doch auch andere Journalistenschulen besuchen oder den Berufseinstieg über Praktika und Volontariate finden.

Wenn Sie diese Schulen fragen, sagen die, es bewerbe sich niemand entsprechendes bei ihnen. Vielleicht fehlt der Mut, aber wir müssen dann fragen, warum das so ist und ob das tatsächlich nur an den Bewerbern liegt.

Oder die Nachfrage ist nur politisch gewollt.

Für den aktuellen Jahrgang hatten wir 250 Bewerbungen.

Und wie interessiert sind die Verlage und Rundfunkhäuser?

Bei Axel Springer suchen sie gerade händeringend nach Journalisten mit türkischem Hintergrund, um die entsprechende Leserschaft zu erschließen. Die Nachfrage steigt. Je mehr Migranten nicht nur in Alibi-Funktionen im Fernsehen zu sehen sind, sondern substantielle Berichterstattung machen, desto mehr werden folgen.

Ist es nicht paradox, dass gerade Springer so sehr nach türkisch-stämmigen Journalisten sucht, obwohl die Bild-Zeitung, das prominenteste Blatt des Konzerns, gerne Titel schreibt wie: "Zu viele junge Ausländer sind kriminell" oder "Die bittere Wahrheit über Ausländer und Hartz IV"?

Ja. Herr Diekmann würde das allerdings anders sehen und sagen: „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen.“

Der erste Journalisten-Jahrgang am BWK ist gerade fertig. Wie ist ihr Fazit?

Eine unserer Absolventinnen, Marianna Mamonova, hat gerade den Kausa-Medienpreis in der Kategorie Hörfunk gewonnen. Eine andere Absolventin arbeitet zurzeit als Schlussredakteurin beim ZDF. Manche haben Angebote von Radiosendern oder TV-Produktionsfirmen oder für Volontariate. Wieder andere machen noch Praktika. Aber selbstverständlich sind auch einige ohne realistische Perspektive geblieben.

Im Schnitt klingt das nach einem guten Ergebnis.

Ja, aber wenn die Jobcenter uns nicht stärker entgegenkommen, wird es so keinen dritten Jahrgang geben.

Bitte?

Die Schule finanziert sich über den sogenannten Bildungsgutschein. Im aktuellen Jahrgang haben aber nur halb so viele Schüler wie im Jahr davor einen Gutschein bekommen.

Ist der nicht nur für unqualifizierte Arbeitslose?

Einen Bildungsgutschein können Sie auch bekommen, wenn Sie im Arbeitsleben stehen, aber von Arbeitslosigkeit bedroht sind. Überall wo Bildungsbedarf notwendig erscheint, kann ein Gutschein vergeben werden.

Sie setzen bei Ihren Bewerbern Hochschulerfahrung voraus. Und diese Universitätsabsolventen müssen dann zum Jobcenter gehen und Arbeitslosengeld II samt Bildungsgutschein beantragen?

Ohne Hochschulbildung wird es schwer, journalistisch Fuß zu fassen. Insbesondere als Quereinsteiger. Allerdings ist der mit Abstand überwiegende Teil der Bewerber ohnehin als arbeitslos oder arbeitsuchend gemeldet. Den Gutschein kann man zudem auch ohne Arbeitslosengeld erhalten.

Fehlt ein alternatives Finanzierungskonzept?

Jetzt werfen Sie uns den Ball zu, aber wir haben die Ausbildung auf konkreten Hinweis der Arbeitsagentur und der Bundesbeauftragten für Migration, Maria Böhmer, gegründet. Wir glaubten dass uns Arbeitsagenturen und Jobcenter die nötigen Mittel zukommen lassen. Die politischen Entscheidungsträger sind aber nicht die Sachbearbeiter, die über jeden Gutschein entscheiden.

Kann man die Ausbildung nicht selber bezahlen?

Doch, sie kostet 12.000 Euro für 15 Monate.

Müssen Sie gute Bewerber ablehnen, weil diese den Bildungsgutschein nicht bekommen haben?

Ja, eine große Anzahl. Wir nehmen gute Bewerber im Zweifel zwar erstmal auf, aber viele brechen dann ab, weil die Situation prekär ist und sie ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten können.

Wie viele Schüler sind im aktuellen Jahrgang?

Wir haben nach dem Assessmentverfahren 25 Bewerbern einen Platz angeboten, davon hatten acht einen Bildungsgutschein. Nun sind noch 16 dabei, zwölf sind finanziert. Ich kann diese Sachbearbeiter aber teilweise verstehen. Es ist schwer vermittelbar, jemandem, der schon einen oder mehrere Hochschulabschlüsse hat, einen teuren Bildungsgutschein hinterher zu werfen. Trotzdem, dass wir von 23 Schülern mit Gutschein im letzten Jahrgang auf zwölf runterbrechen, war nicht zu erwarten.

Und nun?

Der Kurs trägt sich so nicht mehr. Er ist für knapp 20 Leute konzipiert. Wir sind nach wie vor eine GmbH und können das nicht subventionieren.

Schmeißen Sie die vier ohne Gutschein raus?

Das bringe ich nicht übers Herz. Wir wenden uns jetzt an Stiftungen und hoffen, noch ein, zwei Kostenübernahmen zu bekommen.

Warum sagen Sie nicht, dass nur anfangen darf, wer bereits einen Gutschein hat?

Dann hätten wir mit der Ausbildung gar nicht starten können, weil noch so viele zu Beginn keinen Gutschein hatten.

Können Sie von der Migrationsbeauftragten Böhmer nicht mehr Mittel bekommen?

Sie hat kaum Mittel. Sie bräuchte dafür ein Budget. Das Bildungsministerium könnte auch etwas machen. Oder eine Co-Finanzierung durch die Europäische Union wäre eine Idee.

Sie sagten, Sie hätten die Ausbildung auf politischen Wunsch hin gegründet. Wie war das genau?

Die Idee kam von Maria Böhmer am Rande des Integrationsgipfels 2007. Auch Heinrich Alt, Mitglied des Vorstandes der Bundesagentur für Arbeit und der emeritierte Journalistik-Professor von der Universität Dortmund, Ulrich Pätzold, haben dem zugestimmt. Pätzold leitet unsere Ausbildung nun inhaltlich. Böhmer war besorgt, dass es so wenige Journalisten mit Migrationshintergrund gebe. Nihat Sorgeç, Geschäftsführer des Bildungswerks, der solche Ideen immer sehr schnell aufgreift, sagte, wir könnten am BWK eine Journalistenausbildung für Menschen mit Migrationshintergrund aufbauen.

Sie bilden hier aber überwiegend Jugendliche mit Migrationshintergrund für Handwerksberufe aus.

Das war eine echte Zäsur. Wir hatten die Strukturen für eine solche Ausbildung für Akademiker nicht. Also haben wir sie eingekauft, beim Weiterbildungs-Zentrum Haus Busch in Hagen, mit guten Dozenten und Beratern. Die haben das Curriculum entworfen und die ersten Strukturen geschaffen. Es gab natürlich auch Startschwierigkeiten. Heute stehen wir auf eigenen Beinen.

Wer unterrichtet bei Ihnen?

Daniela Milutin vom WDR ist für die Radioausbildung verantwortlich, Christian Keller vom WDR fürs Fernsehen, Fanny Facsar vom ZDF für Online und Ulrich Pätzold für Print. Dazu kommen viele Dozenten von unseren Partnern.

Wer sind Ihre Partner?

Der RBB, das ZDF, der Tagesspiegel, die taz, der freitag, Radio Bremen, Zitty, Zeit Online, Der Spiegel (Berlin), die dpa, die Berliner Zeitung, Radio MetropolFM, Hürriyet und Sabah, Axel Springer kommt gerade dazu, die Pressestelle des Bundesministeriums für Bildung und der Integrationsbeauftragten und einige andere.

Nehmen Sie nur Menschen mit Migrationshintergrund oder auch zugezogene Ausländer auf?

Sowohl als auch.

Wie wichtig ist die Deutsche Sprache?

Wir bestehen auf sehr guten Deutschkenntnissen. In einem Fall haben wir eine Ausnahme bei einem Bewerber mit türkischem Hintergrund gemacht, der für türkische Zeitungen in Deutschland arbeiten möchte.

Wie setzen sich die Jahrgänge zusammen?

Im ersten Jahrgang hatten wir unter anderem eine türkische Gruppe, eine hispanische, Nah-Ost-Araber, Polen und Russen. Jetzt sind wir sehr kerneuropäisch und haben vor allem Schüler aus Italien, Polen, Kroatien, Frankreich, England und der Türkei. Die meisten sind um die 30. Unser Alters-Obergrenze ist bei Anfang 40.

Bringen so viele Kulturen nicht Spannungen mit sich?

Oh ja! Im ersten Jahr hatten wir in jeder religiösen, politischen, geografischen und sexuellen Hinsicht Frontverläufe. Aber das schärft auch die Argumentationen.

Interview: Jan Söfjer


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Uwe Schulte, 43, Dipl.-Politologe und Weiterbildungsmanager hat zehn Jahre lang in der organisatorischen Leitung privater Hochschulen gearbeitet. Seit vergangenem Jahr ist er Projektleiter für die Journalistenausbildung für Migranten am Bildungswerk Kreuzberg (BWK) und verantwortet internationale Bildungsprojekte des Hauses. Das BWK kümmert sich seit 25 Jahren vor allem um die Ausbildung von Jugendlichen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt keinen Ausbildungsplatz bekommen.

Dienstag, 8. März 2011

Betahaus Berlin: Alles andere als selbstbestimmtes Arbeiten

Im aktuellen "journalist" gibt es einen Text von Mathias Rittgerott über Co-Working-Spaces wie das Betahaus in Berlin, in dem man sich für einzelne Tage oder dauerhaft einen Schreibtisch mieten kann.

Jetzt lese ich aber: Um 18 Uhr wird das Betahaus dichtgemacht. Dann kommt nur noch rein, wer einen festen Tisch gebuch hat. Wie dämlich ist das denn? Bei der freiesten Form von Büro kann nicht mal jeder kommen und gehen, wie er will?

Zwölf Euro pro Tag oder 230 Euro pro Monat sind zudem ein ordentlicher Happen. In Berlin bekommt man auch für die Hälfte einen Büroplatz. Am Ende des Artikels sagt ein Betahaus-Nutzer, wenn er nach 19 Uhr noch weiterarbeiten möchte, gehe er in die Bibliothek: "Dort lenkt mich nichts ab, weil es kein Internet gibt und man nicht ständig private Mails liest."

Wie mir scheint, fahre ich mit der Bibliothek vor meiner Haustür, in die ich zum Schreiben gehe, gar nicht schlecht. Ins Internet kann ich mich bei Bedarf via UMTS-Stick einloggen und Telefoninterviews mache ich zu Hause. Im Betahaus muss man für längere Gespräche in einen extra Raum gehen. Festnetzanschlüsse gibt es nicht, wie ich das verstanden habe. Eine ehemalige Betahausbewohnerin sagt in dem Artikel: "Für längere Telefoninterviews ist es jedoch zu unruhig, die führt man besser daheim." Dort fühlt man sich auch nicht wie im Zoo: Zwei mal wöchentlich werden Besuchergruppen mit Neuinteressenten durch das Betahaus geführt.

Mittwoch, 23. Februar 2011

Wie Meldungen in die Presse geraten, die Menschen in ihrer Würde verletzen

Am 8. Februar, es war ein Dienstag, hatte ich Frühdienst in der Online-Redaktion der Frankfurter Rundschau. Ich war für die Platzierung der Top-Themen verantwortlich. Eine der Meldungen des Morgens war, dass die aus der Takelage der Gorch Fock tödlich abgestürzte Kadettin Sarah Seele angeblich starkes Übergewicht hatte. Die Bild-Zeitung hatte darüber berichtet und aus dem Obduktionsbericht zitiert.

Mir behagte die Meldung nicht. Ich fand, sie griff die Würde der Toten an. Ich ignorierte die Meldung erst einmal und lies sie etwas versteckt im Ressort. Später wies mich ein Kollege darauf hin, dass wir die Meldung prominent hoch ziehen müssten - wie viele andere Nachrichtenseiten. Die Bild zitiert immerhin aus dem offiziellen Obduktionsbericht, dachte ich mir, Bild-Redakteure sind zwar nicht für ihre hohe Moral bekannt, aber sie werden sich die Meldung nicht ausgedacht haben. Ich zog die Meldung hoch, achtete aber darauf, dass nirgendwo von "dick" oder "fett" die Rede war und verwendete im Titel den Begriff "offenbar dienstunttauglich".

Zwei Tage später stellte sich heraus, dass die Bild-Redakteure doch nicht ganz so sorgfältig recherchiert hatten. Für den Rücktransport war die Leiche der Frau mit 20 Kilo Formaldehyd präpariert worden, weil es im Flugzeug keine Kühlanlage gab. Das Transportgewicht tauchte in einem Bericht später als Körpergewicht auf. Die Bild zitierte die falsche Angabe.

Ich habe davon erst heute durch einen Bericht im aktuellen Spiegel erfahren, in dem der Freund von Sarah Seele, Daniel Wagner, ebenfalls bei der Marine, seine Partnerin rehabilitiert. Die Geschichte zeigt also auch, wie schnell sich gehässige Nachrichten verbreiten, wie schwerfällig jedoch die Richtigstellungen.

Vielmehr als die Sensationsgier der Bild-Zeitung, die die Macht gehabt hätte, die Meldung nicht in Umlauf zu bringen, frage ich mich allerdings, wer Seeles Bericht überhaupt an die Bild weitergereicht hat? Irgendwer muss es getan haben. Vielleicht jemand von der Bundeswehr, vielleicht ein Mediziner, vielleicht jemand von der Staatsanwaltschaft. Ich, und da bin ich nicht der Einzige, rege mich oft darüber auf, dass plötzlich die Presse wie verrückt über Fälle wie Käßmann oder Kachelmann berichtet. Ist jedoch so eine Meldung einmal in der Welt, ist sie nicht mehr aufzuhalten. Dann schimpfen alle über die böse Presse. Niemand schimpft aber über denjenigen (oft kann es nur ein Staatsdiener sein), der die Meldung an die Bild-Zeitung weitergereicht hat. Das nur am Rande.

Am Ende des Spiegel-Berichtes steht: "Nach Sarah Seeles Tod beklagte der 'Gorch Fock'-Kommandant Schatz, dass die motorischen Fähigkeiten der Kadetten abgenommen hätten: 'Die Jugend sitzt nicht mehr im Kirschbaum, sondern eher vor dem Computer.'" Die Süddeutsche Zeitung war sogar ganz verliebt in dieses Zitat und hat es mehr oder minder in jeden Artikel zum Thema geschrieben. Der Freund von Sarah Seele zeigte dem Spiegel ein Foto, dass sie in einem Hochseilgarten zeigt. „Sie war ein Kirschbaumkind“, beteuert er. Der Kommandant kannte Sarah nicht, sagt Wagner.


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Danke
Vielen Dank für diese Sätze: "Es sollte eine sehr gute...
Johanna (Gast) - 2013-12-05 10:34
Gut analysiert. Nur bei...
Gut analysiert. Nur bei der politischen Ausrichtung...
7an - 2013-10-10 15:08
Kein Interesse
Nur eine kurze Anmerkung. Journalisten denken von ihrem...
Otto Hildebrandt (Gast) - 2013-10-10 14:08

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