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Mittwoch, 7. September 2011

Midnight in Paris

Midnight in Paris ist ein wundervoller, selig machender Film - zumindest für Menschen mit einem Hauch Nostalgie. Ich selbst hatte Zweifel, bis ich den Film vorhin gesehen habe, aber diese Zweifel rührten vermutlich von dem Trailer, der so gut wie nichts von dem Kern des Films zeigt, sondern nur, wie wenig Lust der schriftstellernde Gil (Owen Wilson) auf die Aktivitäten seiner Verlobten, ihres Pseudo-Intellektuellen Bekannten und ihrer konservativen Eltern hat. Gil hingegen ist von seinen nächtlichen Trips angetan - die ihn ins Paris der 20er Jahre führen. Kein Traum, wie Regisseur Woody Allein zeigt, eher ein Märchen.

Gil trifft die ganze Künstler- und Literaten-Bagage des damaligen Paris: Hemingway, Dalí, Fitzgerald und viele mehr. Jeder, der nur einen Funken Sympathie für diese Gestalten hat, wird begeistert sein. Vielleicht ist Hemingway ein ganz klein bisschen zu klischeehaft geraten - oder war Hemingway nicht gerade so? Mich hat der Film jedenfalls überzeugt, er ist eine hinreißende Hommage an eine verlorene Epoche.

Zweifler wie Georg Diez schrieben im SPIEGEL der Film sei voller Klischees. Ulrich Greiner ist in der ZEIT schon weiter: "Nur der mittelmäßig begabte Künstler meidet das Klischee", schreibt er. "Der blutige Anfänger stürzt sich hinein und wird, weil er es nicht bemerkt, sein komisches Opfer. Der geniale Könner hingegen spielt mit dem Klischee." Diez bemängelt, man sehe keine schicksalslosen Migranten im heutigen Paris. Ich frage mich, ob er auch in tristen Banlieu-Filmen bemängelt, wenn man keine schönen Boulevards sieht. Diez schreibt, Allen benutze nur Abziehbilder, Klischees, aber gerade das ist das Hauptmotiv des Films - unser Denken in Klischees, und dass die alten Zeiten natürlich nicht so prachtvoll waren, wie wir glauben. Im Film wird das deutlich, wenn sich die Charaktere im Paris der 20er Jahre ins Belle Epoque am Ende des 19. Jahrhunderts wünschen, als die Welt noch nicht so turbulent gewesen sei.

Am Ende löst Allen alles ganz wundervoll auf. Was bleibt, ist die Erfahrung zumindest einmal auf der Leinwand gesehen zu haben, wie es wäre, ins Paris der 20er einzutauchen, einmal mit all den Legenden eine große Sause zu machen.

Wenn der Film schon vorbei ist, dauert es lange, bis man wieder in der Gegenwart angekommen ist. Selbst Berliner Hauptstraßen haben dann noch für etliche Minuten etwas Nostalgisches. Es gibt nicht viele Filme, die solch einen nachhaltigen Zauber besitzen.

Samstag, 27. August 2011

Syrien – Deutsche Reporter recherchieren unter Lebensgefahr

Syrien ist derzeit einer der gefährlichsten Orte für Journalisten. Vier Reportagen aus Syrien habe ich bisher gelesen, eine auf newyorker.com, zwei im Spiegel. Doch keine zeigt so anschaulich, wie das syrische Volk unter den mordenden Truppen von Assad leidet, wie die Reportage von Wolfgang Bauer in der aktuellen ZEIT. Ein atemraubendes Stück unter großen Gefahren in der syrischen Stadt Homs recherchiert.

Immer wieder durchschneiden Schussgarben die Stille in den Straßen. Als Ahmed jetzt vors Haus tritt, mit geradem Rücken, um bloß keine Angst zu zeigen, wie der Mitfünfziger sagt - „das riechen die,“ sagt er, „darauf sind die gedrillt“ -, da flüchte ich, der Besucher aus dem Ausland, in den hinteren Teil der Wohnung. Das Haus von Ahmed und Faten ist mein Versteck. Im Familienrat haben sie beschlossen, für mich alles aufs Spiel zu setzen, die Freiheit und ihr Leben – damit diese Reportage geschrieben werden kann.
Im Gegensatz zu anderen Berichten und Reportagen sieht Bauer vieles selbst: Kinder mit zerschossenen Füßen in einem Krankenhaus, das von Männern mit Kalschnikows beschützt werden muss - damit Assads Männer keine verwundeten Demonstranten erschießen. Er bekommt mit, wie ein Freund von Mazen, dem 25-jährigen Sohn der Familie, die Bauer aufgenommen hat, vom Geheimdienst entführt wird. Zwölf von Mazens Freunde wurden in den letzten Wochen ermordet. Einer wurde gefoltert und ist nun im Krankenhaus angekettet, damit er sich nicht umbringt. Stattdessen schmiert er seinen Kot an die Wand, wie Bauer erzählt wird.

Mazen sagt: „Ich werde mich nicht festnehmen lassen“, vorher erschieße er sich. Hilflos sieht ihn die Mutter an. „Wo ist mein Sohn?“, schreibt Faten in ihr Tagebuch „Ich vermisse sein Grinsen, sein verschmitzes Lächeln, sein verrücktes Tanzen, und am meisten vermisse ich: seine Liebe zum Leben.“

Bauer hört von Spielplätzen, die voller Blut seien, weil in den Schulen nebenan Menschen eingesperrt seien. Und er trifft Geheimdienste-Offiziere, die nur noch zum Dienst gehen, weil sie Angst um ihre Familien haben. 12.000 Menschen sollen alleine in Gefängnissen ermordet worden sein, sagt ein Offizier.

Bauers Recherche in Homs war lebensgefährlich. Als Panzer Homs zu umschließen drohen, flieht er. Der Familienvater Ahmed bringt ihn mit dem Auto raus. Plötzlich stehen sie direkt hinter den „Sicherheitskräften“. Schwere Explosionen, Maschinengewehrfeuer. „Da zeigt ein Soldat im Heck eines Busses auf mich“, schreibt Bauer. Drei weitere tun das Gleiche. Dann erreicht der Konvoi eine Kreuzung. Ahmed biegt ab.

„Sie kommen! In eure Richtung.“ - Ein Spiegel-Reporter in Damaskus

Auch im Spiegel erschienen zuletzt zwei Reportagen aus Syrien – eine in der aktuellen Ausgabe (nur noch heute im Handel erhältlich). Die Texte sind ohne Namen erschienen, um Autor und Informanten zu schützen.

Der Spiegel-Reporter war in Damaskus und in einem Vorort, da wo die Gewalt am schlimmsten ist. „Nur über einen Internetdienst, unter der Identität eines vor Wochen erschossenen Freundes, ist einer der Führer des örtlichen Oppositionskommitees erreichbar. Erst in letzter Minute wird der Treffpunkt genannt: ein Gemüselaster an einer Kreuzung. Der Fahrer nickt kurz, über Kurvenpfade geht es an den Ortsrand. In einer Ferienwohnung warten die Männer vom Komitee.“ Einer wurde gerade aus dem Folterkeller gelassen. Er bekam so lange Stromschocks an die Hoden, bis er Blut urinierte. Seine Hände zittern noch beim Teeeingießen.

Einer der Männer hat die Gewalt der Assad-Truppen gefilmt. Zwei Stunden Aufnahmen sieht sich der Reporter an. „Sequenzen von abgerissenen Köpfen, zerfetzten Körpern, abgetrennten Füßen, gezielten Einschüssen in Ohr, Auge, Stirn.“

Auch der Spiegel-Reporter hat viel riskiert:

Plötzlich klingt eine Stimme aus dem Funkgerät. 'Sie kommen! In eure Richtung. Mannschaftswagen mit Bewaffneten, einer, zwei, fünf, mindestens acht.' Geduckt schaut Ali über die Brüstung des Balkons. am unteren Ende der Straße patrouillieren bereits Männer mit Kalaschnikows, 'weg, weg!', rasend schnell werden Funkgeräte, das kostbare Satellitentelefon und Taschen gegriffen, durch Garten und Dunkelheit geht es zu einem anderren Quartier. Von überall her melden sich die Beobachter aus anderen Vierteln: Mehrere hundert Mann sind eingerückt, das Stakkato von Maschinengewehrfeuer ist zu hören.

Mittwoch, 22. Juni 2011

Jonathan Stock - der unaufhaltsame Kriegsreporter

Der schlimmste und brutalste Ort des arabischen Frühlings ist Syrien. Männer, Frauen, Kinder werden bisweilen wahllos auf der Straße erschossen. Assad ist gnadenloser als Gaddadi. Ausländische Journalisten trauen sich nicht ins Land - bis auf sehr wenige Ausnahmen. Zwei sind mir bekannt. Der Spiegel veröffentliche in seiner aktuellen Ausgabe einen Bericht über Syrien, für den ein Spiegel-Reporter vor Ort recherchiert hat. Der Text enthielt nicht mal eine Namenszeile - zum Schutz des Journalisten und seiner Informanten.

Der andere Reporter, der sich nach Syrien gewagt hat, ist Jonathan Stock, der bereits als gefühlt einziger deutscher Reporter neben Wolfgang Bauer von der libyschen Front berichtet hat. Stock veröffentlicht sogar unter seinem Namen. Man könnte nun denken, er sei ein alt-erfahrender Reporter-Veteran, doch Stock kommt frisch von der Henri-Nannen-Schule. Seit April erst ist er festangestellter Reporter bei Spiegel Online, mit einem kurzen Vorspiel bei GEO Epoche. Ob ihn die Redaktion jedoch wird halten können, ist ungewiss. Sein jüngster Artikel aus Syrien erschien jetzt beim New Yorker.

Dienstag, 7. Juni 2011

Großes Geschütz, keine Munition: Spiegel.de attackiert Daniel Bahr

Nicht mal einen Monat ist er im Amt, da gerät Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) auch schon unter Beschuss.

"Bahrs Ehec-Krisenmanagement: Verseucht, verheddert, vermurkst", titelt Spiegel Online. Eine heftige Anklage, die Florian Gathmann und Anna Reimann da erheben.

Sie schreiben: "Die Nation fragt sich: Was können wir noch essen?" Und dann wird Bahr plötzlich überraschend freigesprochen: "Natürlich hat Bahr darauf keine Antwort, das wäre auch zu viel verlangt von ihm." Es dränge sich aber ein "Gefühl" auf, dass der Politiker ein bisschen überfordert sei. Ein Gefühl. Damit das eigene Gefühl nicht gänzlich alleine steht, werden ein paar Stimmen aus der Opposition zitiert.

Das ist alles. So wenig reicht, um sehr promienent auf der bedeutendsten deutschen Online-Nachrichtenseite einen Politiker hart angehen zu können, so als habe er die katastrohalsten Fehlentscheidungen seiner Karriere getroffen. Das ist kein kritischer Journalismus, sondern Gier nach Aufmerksamkeit, deren Aufhänger selbst konstruiert sind.

Montag, 6. Juni 2011

Die verfehlte Kischpreis-Debatte

Es ist viel über die Aberkennung des Nannenpreises in der Kategorie Reportage (Kischpreis) für René Pfister geschrieben worden. Die meisten Kommentare gingen am Kern der Sache vorbei.

Sehr stark wird das in einem stern-Interview mit Zeit-Chefredakteur und Jury-Mitglied Giovanni di Lorenzo deutlich. Er sagt in einem stern-Interview, das ganze Portrait über CSU-Chef Horst Seehofer baue auf der Einstiegsszene des Textes auf. Diese sei aber rekonstruiert und genüge damit nicht den Ansprüchen an eine Reportage. Di Lorenzo vermisst ein „Wort des Bedauerns“ beim Spiegel-Redakteur Pfister, spricht von Fehler und mangelnder Einsicht.

Die Enkelin von Henri Nannen, Stephanie Nannen, spricht gar von „Betrug an der Wahrheit“, von „Verrat“. Sie stand am Anfang der Debatte. In der taz meldeten sich Henri-Nannen-Schüler. Sie reden von "Vorspiegelung falscher Tatsachen", „Strafgesetzbuch“, „schummeln“, „Betrug“ und „Eitelkeit“. Harte Worte. Und alle Kritiker zeigen doch nur, dass sie sich haben blenden lassen. Von der Jury, die den Text Pfisters als Reportage auszeichnete. Hier ist das Problem.

Pfisters Text ist keine Reportage

Der Text ist keine Reportage. Es gibt nur drei Szenen in einem langen Text. Man muss nicht wie Zeit-Dossier-Chef Stefan Willeke ein langes Plädoyer darüber halten, was die Reportage darf und was nicht (auch, wenn sein Plädoyer eine wundervolle Hommage an den Beruf des Reporters ist), denn Pfisters Text ist einfach keine Reportage. Egal, welchen Maßstab man anlegt. Es ist ein politisches Portrait, dass unter anderem wenige Szenen beinhaltet.

Die Jury und viele Kritiker haben sich über den Einstieg des Textes aufgeregt. Dabei ist der Einstieg gar keine Szene. Es ist ein faktischer Einstieg. Es macht mich sprachlos, dass die Nannenpreis-Jury diese Nicht-Reportage als beste Reportage ausgezeichnet hat, sich dann aber aufregt, weil eine Kernpassage nicht die Ansprüche einer Reportage erfüllt. Es ist absurd. Paradox.

Frank Schirrmacher, FAZ-Herausgeber und auch Mitglied der Jury, hat es als einer der wenigen verstanden. In der FAZ schrieb er, es gehe um die Frage, "ob es sich hier am Ende um einen Kategorienfehler handelt und der Text in der falschen Kategorie ausgezeichnet wurde".

Kolumnist Harald Martenstein führt den Gedanken fort: „Mag sein, dass dem Nannen-Preis einfach eine Kategorie fehlt, für Essays, Analysen und Porträts, diese Kategorie sollte man einführen und sie im ersten Jahr René Pfister verleihen.“

So oder so ist bereits ein großer Schaden entstanden. Für die Jury, aber noch ein größerer für René Pfister. Statt der größtmöglichen Ehrung erhielt er nun die größtmögliche Strafe. Steht, wie auch Martenstein sagte, in einer Ecke mit Guttenberg und Tom Kummer.

Einer der wenigen, der all das von Anfang an verstanden hat, war Geo-Chef Peter-Matthias Gaede, auch Nannen-Jury-Mitglied und vielleicht der erfahrenste und beste Reporter in der Runde. Er war sehr dagegen, Pfisters Text als beste Reportage auszuzeichnen. Am Ende kämpfte er aber vehement dagegen, Pfister den Preis wieder abzuerkennen.

Die Geringschätzung der Reporter

Was die ganze Debatte offenbart hat, ist nicht nur, dass selbst einige der bedeutendsten Journalisten der Republik ein zu schwammiges Bild von der Form der Reportage haben (was nicht heißen soll, dass nur die reine Lehre gelten soll. Ich stimme Willeke zu, der sagt, dass die Reportage in einer komplexer werdenden Welt komplexer werden muss), die Debatte hat auch offenbart, wie groß die Abneigung nicht weniger Journalisten gegenüber Reportern und der Reportage ist. Natürlich von Journalisten, die keine Reportagen schreiben. Von politischen Journalisten, vor allem aber von Feuilletonisten.

Schon Enzenzberger kritisierte 1957 die „Sprache des Spiegel“ als zu storyfixiert, wie auch Stefan Winterbauer auf meedia.de anmerkte. Enzensbergers Kritik wird heute vor allem vom FAZ-Feuilletonchef Claudius Seidl weitergeführt. Im journalist stritt er sich mit Willeke über den Fall Pfister. Seidl wirft den Reportern vor, einen Hang zum „Trivial-Literarischen“ zu haben, dass am Ende in den Reportagen „alles aufgeht“. Schon vor einem Jahr bemängelte Seidl: „Genau das ist das Problem mit den Preisträgerreportagen: Sie wollen Literatur sein.“

Wir möchten keine Literatur schaffen

Ich sehe das nicht so. Ich möchte keine Literatur schaffen, wenn ich eine Reportage schreibe. Ich glaube auch nicht, dass andere Reporter Literatur schaffen möchten. Ich habe auch schon Shortstorys veröffentlicht, aber die Literatur reizt mich bei weitem nicht so sehr wie der Journalismus und speziell der Beruf des Reporters. Mir scheint es eher ein Problem zu sein, dass Seidl die Reportage mit den Maßstäben der Literaturkritik misst und enttäuscht ist, dass sie seinen literarischen Ansprüchen nicht genügt.

Reporter möchten keine Literatur schaffen, sie möchten Geschichten erzählen. Reale Geschichten. Wir bilden uns nicht ein, alles wissen zu können und glauben nicht, in jeden Kopf schauen zu können. Wir sehen nur die Menschen und ihre Handlungen, vielleicht mit Hintergrundwissen im Kopf. Eine Haltung haben wir auch, weil niemand ohne sein kann. Wir wollen einfach die Geschichte, die wir sehen, aufschreiben. Verdichtet, strukturiert. Eine Geschichte braucht eine Dramaturgie. Aber die Quelle dieser Dramaturgie ist nicht die Fiktion, sondern die Realität.

Dienstag, 31. Mai 2011

Der Edelfeder-Exodus beim stern

Christoph Reuter, der einzige deutsche Korrespondent in Afghanistan, verlässt das Land - und seinen Arbeitgeber den stern. Reuter wechelt zum Spiegel. Das ist keine Überraschung. Es scheint ein Trend zu sein.

Alleine in der jüngsten Zeit wechselten auch Alexander Kühn und Markus Grill vom stern zum Spiegel. Und jetzt Christoph Reuter. Im Gegenzug kenne ich keinen Spiegel-Redakteur, der jüngst zum stern gewechselt ist.

Warum? Die verkaufte Auflage des sterns ist zwar stärker eingebrochen als die des Spiegels, aber immer noch hoch - 863.000 Exemplaren im ersten Quartel 2011 (Spiegel: 967.000). Und die stern-Titel waren immer schon schlimm - Diäten, Psychologie und Rückenschmerzen. Woran liegt es dann? Vielleicht am Ruf des Spiegels. Vielleicht an der Ahnung, dass langfristig nur eins der großen Magazine überleben wird. Vielleicht, weil die Antwort des Spiegels auf die digitale Ära mehr Recherche und vermehrt sehr lange Stücke sind.

Das krasseste Beispiel ist "Der Bankraub" gewesen, ein 138.000-Zeichen-Stück, 40 A4-Seiten. Die Rekonstruktion des Enstehens der Wirtschaftskrise erhielt den berühmtesten Journalistenpreis, den Henri-Nannen-Preis. Es war einer von acht Nannen-Preisen, die der Spiegel in den letzten sieben Jahren erhielt. Neun Nannen-Preise, wenn man René Pfisters aberkannten mitzählt.

Der stern bekam in den Jahren nur einmal den Nannen-Preis. Dabei beherrschen auch stern-Journalisten die große Form, wie sie im Report "Todesflug AF-447" souverän gezeigt haben. Es ist aber aber leider eine seltene Ausnahme. Es gibt zu wenige gute Reportagen im stern. Oder anders gesagt: Die guten Reporter bekommen zu wenig Platz im Heft.

Ich fragte Christoph Reuter einmal, ob er plane, etwas über die Hinterbliebenen des Tanklaster-Angriffes in Kunduz zu machen. Zuvor hatte er ein Online-Stück über Entschädigungszahlungen geschrieben. Reuter sagte dazu: "Nochmal eine Geschichte zu den Hinterbliebenen ... hätte bei uns leider keinen so recht interessiert."

Freitag, 27. Mai 2011

Ein Feuilleton im besten Sinne

... doch oft gibt es so etwas leider (mehr) nicht in der Presse. Es erfordert fast schon Mut, so etwas in online-dominierten Nutzwert-Zeiten zu bringen (online wüsste man gar nicht wohin damit). Doch der wahre Wert lässt sich gar nicht hoch genug abschätzen. Denn dieses kleine Feuilleton ist auch ein Plädoyer für die Muse, die Ruhe, den kleinen schönen Gedanken und die Kunst

Leben bringt er, Tod und allgemeine Bewegung: der Wind
Süddeutsche Zeitung, 27. Mai 2011

Dienstag, 26. April 2011

Wie GMX seine Kunden verarscht

GMX gibt sich sehr viel Mühe, seine Kunden zu verärgern. Ein gutes Beispiel bin ich selbst. Ich bin ProMail-Kunde, zahle also drei Euro jeden Monat für meinen Account. Kürzlich wollte ich die AGB lesen, fand sie aber nirgends. Ich dachte, bei den Infos zu neuen Tarifen stehen sie sicher. Ich klicke auf TopMail (fünf Euro im Monat), dann kommt ein Feld, wo ich meine Anmelde-Daten bestätigen soll (nicht mehr), ich bestätige und schon habe ich einen TopMail-Vertrag abgeschlossen.

Ich storniere den Vertrag umgehend online, habe aber Angst, dass ich nun vielleicht meinen ProMail-Vertrag verlängert habe, man weiß ja nie, besser gleich zu FreeMail wechseln. Ich storniere die Stornierung. Zack, damit ist mein TopMail-Vertragsabschluss endgültig. Scheinbar. Als ich mich per Mail schriftlich beschwere, kann ich ihn doch stornieren. Nun ist aber mein ProMail-Vertrag, der nur noch bis Juni gelaufen wäre, bis April 2012 verlängert. Beschwerde aussichtslos.

Nun habe ich zu FreeMail gewechselt. Zu April 2012. Das geht aber nicht online. Dafür muss ich erst einen Ausdruck unterschreiben und an die GMX-Zentrale faxen oder per Post schicken - innerhalb von fünf Tagen, sonst ist die Kündigung ungültig. Nur Schikanen!

Eigentlich ist GMX ein guter Mailanbieter, aber mit diesen Drückermethoden versauen sie sich alles. Von einem guten Mailanbieter erwarte ich Transparenz und problemlose Tarifwechsel ohne große Mindestlaufzeiten. Beides bietet GMX nicht. Man spürt ständig, wie sie jeden Trick anwenden, um Kunden in Verträge zu locken, aus denen man nur schwer wieder herauskommt. Das ist traurig. Gut, dass ich schon lange primär Googlemail nutze.

Nachtrag 5.10.11: Nur noch ein halbes Jahr und ich bin endlich aus dem Vertrag raus. Aber man glaube nicht, GMX würde mir anzeigen, in welchen Tarif ich wechseln würde. Da steht nur: "Der Tarifwechsel wird zum 11.04.2012 23:59:59 Uhr ausgeführt. Klicken Sie hier für weitere Informationen und zum Stornieren der Aktion." Ja, wenn ich dort klicken würde, bekäme ich mit Sicherheit weniger Informationen, sondern würde meine Kündigung mit einem Klick ohne Abfrage stornieren und könnte dann vermutlich frühestens in einem Jahr kündigen. Sauladen.

Freitag, 22. April 2011

GEO vs. Jungblut: Wenig Grund zum Streiten

Vor einiger Zeit gab es großen Streit zwischen dem langjährigen GEO-Autor Christian Jungblut und der GEO-Redaktion. Die Redaktion verlangte eine neue Textversion und redigierte den Text danach noch weiter um. Jungbluth zog seinen Text zurück, GEO-Chef Gaede wollte den Text ohne Autorennamen drucken, Jungblut bestand auf seiner Version unter seinem Namen. Am Ende erschien die redigierte Version - mit Namen. Jungblut klagte auf Unterlassung und bekam in erster Instanz recht.

In der aktuellen Ausgabe von Message kommentiert der emeritierte Journalistik-Professor Michael Haller den Fall und spricht darüber mit Gaede. Auf drei Seiten ist zudem veranschaulicht, welche Änderungen die GEO-Redaktion gemacht hat (siehe PDF unten). Nur auf dieser Grundlage muss ich sagen: Jungblut schreibt gut, aber die Redigatur hat den Text besser, ein bisschen runder und präziser gemacht. Ich empfinde die Redigatur nicht als drastisch, da hatte ich etwas anderes erwartet. Der ganze Streit, so scheint es mir, ist überzogen.

Ein Problem ist es natürlich trotzdem, wenn ein Autor seinen Text - womöglich kurz vor Druck - zurückzieht. Eigentlich darf die Redaktion den Text dann nicht drucken. Anderseits kann man so etwas als Autor nicht wirklich bringen. Nicht wenn der Text schon druckfertig ist. Wobei, soweit ich die Chronologie nachvollziehen kann, hatte Jungblut den Text ja letztlich doch noch zum Druck freigegeben und nur auf seiner Fassung beharrt. Eine Redaktion hat aber das Recht auf Redigatur. Die Frage ist nur, wie nett sie das mit dem Autor abspricht und wie einsichtig dieser ist. In dieser Kommunikation lag offenbar das Problem - weniger im Text selbst.

Freitag, 15. April 2011

Die gescheiterte Königsmörderin

Strafanzeigen, Hausdurchsuchungen, Antisemitismus-Vorwürfe: Als Schatzmeisterin des DJV Berlin hat Jutta Rabe einen Kleinkrieg gegen ihre Vorstandskollegen geführt. Gestern wurde sie abgewählt. Für den Verband enden damit dunkle Jahre.

Schon mit ihren ersten Sätzen gibt Jutta Rabe einen Einblick in ihre Welt voller Verschwörungstheorien. Es sind ihre letzten Minuten als Schatzmeisterin des Deutschen Journalisten-Verbandes Berlin. „Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass, wie auch letztes Mal, so ein Schlägertrupp wieder im Saal ist. Die müssen entfernt werden. Ich bin beim letzten Mal angegriffen worden“, sagt Rabe. Zudem müssten auch „alle Handys und Computer abgegeben werden, damit nicht übers Internet nach draußen Verbindungen aufrecht erhalten werden“.

An den Angriff scheint nur sie sich zu erinnern. Der vermeintliche Schlägertrupp im Raum sind lediglich zwei Saalordner, welche die Katholische Akademie in Berlin-Mitte, in deren Räumen die außerordentliche DJV-Berlin-Mitgliederversammlung tagt, vorschreibt.

Gestern Abend ist Jutta Rabe von ihrem Amt als Schatzmeisterin mit 78 von 106 Stimmen und sieben Enthaltungen abgewählt worden. Ihre Nachfolgerin, die langjährige Fotografin der Berliner Morgenpost, Gabriele Fromm, erhielt 84 von 91 Stimmen, darunter ebenfalls sieben Enthaltungen: „Ich werde euch nicht enttäuschen", sagte Fromm.

Der große Knall

Was fast nach Verbandsroutine klingt, ist nicht weniger als das Ende eines jahrelangen Kampfes, eines Kampfes, an dem der DJV Berlin, der Gründerverband des DJV, beinahe zugrunde gegangen wäre. Der große Knall kam 2004. Die DJV-Zentrale in Bonn schloss den Landesverband Berlin und den Landesverband Brandenburg aus dem Dachverband aus und gründete zwei neue Landesverbände, die später zum DJV-Journalistenverband Berlin-Brandenburg (JVBB) fusionierten. Heute gibt es in Berlin und Brandenburg parallel existierende DJV-Verbände. Grund für den damaligen Ausschluss waren fragwürdige Vorstandswahlen. Stimmen sollen gekauft worden sein, Mitglieder von Brandenburg nach Berlin in großer Zahl transferiert worden sein. Nicht zuletzt wurden dem damaligen Vize-Vorsitzenden des DJV Brandenburg, Torsten Witt, rechtsradikale Verbindungen nachgesagt. Alexander Kulpok, damals DJV Berlin-Chef, der sich mit Hilfe von über Nacht nach Berlin gewechselten Brandenburger Mitgliedern wiedergewählt haben lassen soll, wurde obendrein vorgeworfen, den Verband kaputtgewirtschaftet zu haben. Vor seiner Amtsübernahme war der Landesverband Berlin einer der reichsten, als Kulpok 2005 abgewählt wurde, musste der Insolvenzverwalter kommen.

DJV Berlin-Mitglieder, die das Geschehen von Anfang an beobachtet haben, mutmaßen, dass Jutta Rabe vom früheren Verbandsvorsitzenden Alexander Kulpok dazu beauftagt worden war, den neuen Vorstand zu sabotieren. Ob mit Auftrag oder aus Eigeninitiative: Als Schatzmeisterin und Mitglied des Vorstands hatte Rabe genug Möglichkeiten. Und sie nutzte sie. So soll sie maßgeblich dazu beigetragen haben, die Fusion des DJV Berlin mit dem JVBB im vergangenen Jahr verhindert zu haben - indem sie Angst schürte, der JVBB sei nur auf das Verbandsvermögen aus.

Schlachten von gestern

Aber nicht genug: Den Vorsitzenden Peter Pistorius beschuldigte Rabe, antisemitische Äußerungen gemacht zu haben. Vor dem Landgericht Berlin musste sie dann in einem Vergleich zustimmen, diese Vorwürfe nicht mehr zu wiederholen. Dafür stellte sie gegen Pistorius Strafanzeige, weil dieser angeblich Verbandsgelder veruntreut haben sollte, worauf hin die Polizei vor drei Wochen die Geschäftsstelle des DJV Berlin und die Wohnung von Pistorius durchsuchte. Ohne Ergebnis.

Pistorius sagte dazu gestern Abend vor der Abwahl Rabes: „Die ganze Liste der Scheußlichkeiten möchte ich hier mit Rücksicht auf ihre Geduld und auf den guten Geschmack nicht präsentieren. Aber es muss jetzt Schluss sein mit der Raserei, die diesen Verband zu Grunde richtet. Im anmaßenden Opferton, den Frau Rabe ja so perfekt beherrscht, fantasiert sie immer noch von Enteignung, von Vernichtung des DJV Berlin, von Zwangsumsiedlung seiner Mitglieder, sie schlägt die Schlachten von gestern, um von den unerträglichen Zuständen abzulenken, die sie selber heraufbeschworen hat.“ Rabe wisse, wovon sie spreche, wenn sie von Untreue und vom Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen rede.

Dazu muss man wissen, dass Jutta Rabe 2008 vor ihrem Antritt als Schatzmeisterin vom Amtsgericht Potsdam wegen „Vorenthaltens von Arbeitsentgeld in 15 Fällen sowie wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung und wegen Untreue“ zu einer Geldstrafe verurteilt worden ist. Rabe ihrerseits warnte „dringend“ vor ihrer Abwahl, weil die Mitglieder dann die letzte Möglichkeit verlören, „dass sich wirklich jemand für diesen Verband einsetzt und eine Kontrollfunktion ausübt“. Kontrolle hat Jutta Rabe gerne, vor allem über Menschen und mediale Botschaften. Das hat sie auch als Dokumentarfilmerin bewiesen. In ihrer Berichterstattung für Spiegel TV über den Untergang der Estonia hat sie die These vertreten, die Fähre sei von Terroristen versenkt worden. Später wurde bekannt, dass Rabe sehr gute Verbindungen zum Hersteller der Fähre gehabt haben soll. Rabes Bombenanschlags-Theorie kam ihm sehr entgegen, weil sie Schuld ablenkte. Spiegel TV distanzierte sich, als die Verbindungen herauskamen, von Rabe. Der damalige Spiegel-Chef Stefan Aust sagte gegenüber expresso-guide.de: „Zu diesem Zeitpunkt wurde offenbar, dass Frau Rabe die Suche nach der Wahrheit als persönlichen Feldzug begreift und die Grenzen journalistischen Handelns verlässt.“

Auch gestern Abend kämpfte Jutta Rabe noch bis zuletzt um ihren Posten. Die beiden unabhängigen Anwälte, Cord Heinichen und Amadeus Meisse, die souverän durch die Versammlung leiteten, wollte Rabe verhindern. Ihre Handvoll Unterstützer torpedierten den Vorstand mit allerlei sinnlosen Anträgen. Rabe wollte gar den gesamten Vorstand abwählen lassen. Am Ende half ihr nichts. Nachdem das Wahlergebnis verkündet wurde, sagte sie, bevor sie mit ihren Unterstützern ging: „Ich möchte dem Verband wirklich alles, alles erdenklich gute wünschen.“ Geglaubt hat ihr das im Saal wohl niemand mehr.


Neuester Kommentar

Danke
Vielen Dank für diese Sätze: "Es sollte eine sehr gute...
Johanna (Gast) - 2013-12-05 10:34
Gut analysiert. Nur bei...
Gut analysiert. Nur bei der politischen Ausrichtung...
7an - 2013-10-10 15:08
Kein Interesse
Nur eine kurze Anmerkung. Journalisten denken von ihrem...
Otto Hildebrandt (Gast) - 2013-10-10 14:08

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