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Bereit, aber nicht gebraucht

Über die Hoffnungslosigkeit einer ganzen Branche

Viele Menschen sagen, das Studium sei die beste Zeit ihres Lebens gewesen. Das sehe ich nicht so. Es sollte eine sehr gute Zeit sein, aber nicht die beste. Alleine schon, weil dann ja die beste Zeit bereits hinter einem liegt. Wer das vergangene Studium also die beste Zeit seines Lebens nennt, hat auch aufgehört, eine bessere Zeit anzustreben. Dennoch muss ich die Tage öfter an meine Studienjahre zurückdenken. Nicht, weil das Leben so frei und schön war, sondern weil es Perspektiven gab.

In den Jahren zwischen 2003 und 2007 wusste ich, dass ich ein zukunftsträchtiges Fach studierte. Es war klar, dass wir gebraucht würden. Online-Journalismus war wichtig. Die Zeiten sahen gut aus. Sicher, es hatte so etwas wie eine Internetblase gegeben, aber das war Geschichte. Verlage investierten nun gezielt in die neuen Medien. Kurz gesagt: Ich war gänzlich unbeschwert und optimistisch. Der Berufseinstieg änderte das.

Im Studium hatten wir sehr viele sehr tolle Sachen gemacht. Nur: Mit dem Arbeitsalltag in den meisten Online-Redaktionen hatte das wenig zu tun. Da gab es nur den Content-Drill. Möglichst schnell, möglichst viel Content durchschleusen - und für diesen Nachrichten-Stress war ich dann doch nicht vorbereitet. Natürlich war der Job schlecht bezahlt, ohne Vertrag oder sonstige Leistungen. Immerhin: Die Frankfurter Rundschau war ansonsten ein toller Laden. Die Kollegen, die Redakteure im Haus sehr nett, eine besondere Gemeinschaft. Trotzdem wollte ich den Job nicht ewig machen. Ich wollte ja schreibender Journalist sein oder werden, große Geschichten recherchieren und schreiben, und nicht nur Content bearbeiten - auch wenn, das sei gesagt, eine gewisse Zeit im Nachrichtengeschäft eine gute Schule ist, eine gute Basis für alles im Journalismus. Dennoch: Ich schlug die Festanstellung als Online-Redakteur (also Content-Verschieber) aus. Ich wäre sonst depressiv geworden. Es folgten Reportageschule, große Stories und zwei Monate beim SPIEGEL.

Nun sind erneut ein paar Jahre vergangen und ich wünsche mir doch etwas aus meiner Studienzeit zurück: die Unbeschwertheit, den Glauben an die Zukunft. Den habe ich nämlich verloren. Meine Tätigkeit als Medienjournalist mag dazu beigetragen haben.

Die Branche ist kaputt. Der Journalismus ein geprügelter Mensch. Die einzigen Nachrichten, die es gibt, sind schlechte. Und sie stoppen nicht. Redakteure werden entlassen, Seiten eingestellt, Autorenhonorare gekürzt, Buy-Out-Verträge aufgezwungen, Büros geschlossen, Tariffluchten begangen, Zeitungen insolvent gemeldet, nicht mal für neue freie Autoren ist Geld da.

Ich sah gerade auf Xing das Profil eines älteren Journalisten. "Arbeit suchend" stand da. Ein Journalist wie aus dem Bilderbuch. Mit Hut und Trenchcoat. 25 Jahre im Job. "Arbeit suchend".

Die Tage telefonierte ich mit einem Kollegen. Auch seit rund 30 Jahren im Job. Ein hochprofilierter Mann. Eigentlich rief ich nur wegen einer kleinen Information an. Am Ende sprachen wir eine halbe Stunde. Er sprach. Es war ein Totengesang auf die Branche. Er musste sich mal Luft machen. Aber es ist klar, dass diese Gedanken seinen Alltag dominieren. Vielleicht nicht immer im Vordergrund, aber doch immer da, wie eine schlechte Grundstimmung. Ich hatte das nicht erwartet. Diese Stimmung kenne ich, mir ist sie auch zu eigen.

Damals im Studium mochte ich besonders die Sonntage. Die Nacht zuvor war ich aus gewesen. Sonntags schlief ich lange. Dann kamen zwei Folgen Star Trek, danach ging ich jobben. Die Tage schaue ich wieder Folgen von Star Trek. Eine Sache gefällt mir ganz besonders: dass die Sternenflotten-Offiziere Teil von etwas besonderem sind. Es ist der Job, auf den sie ihr Leben lang hingearbeitet haben. Und dort angelangt, können sie erst so richtig loslegen. Genau in dieser Position bin ich. Ich habe auch die schönste Profession, die es gibt. Ich habe mich sieben Jahre lang auf hohem Niveau ausbilden lassen, Berufserfahrung und jetzt bin ich bereit - aber die Branche ist es nicht. Sie ist im Niedergang. Ich denke daran, wie es Mal gewesen sein muss bei der Frankfurter Rundschau. Ich habe viele alte Geschichten gehört. Die Rundschau war mal ein besonderer Ort. Jetzt ist kaum noch etwas von der Zeitung übrig und selbst darum bin ich dankbar. Es gibt andere besondere Zeitungen: die Berliner Zeitung. Über sie rollt gerade die zweite Kündigungswelle hinweg. Selbst beim SPIEGEL, hieß es kürzlich, sollen Stellen abgebaut werden. Es gibt tausende von verdammt guten Journalisten da draußen, die nicht wissen, wo sie hin sollen. Die bereit sind, aber nicht gebraucht werden. Wie ich. Und viele von denen, die gebraucht werden, verzweifeln ebenfalls.


Die Debatte dazu auf Facebook
Matthias (Gast) - 2013-07-14 10:43

Den kommerziell bergündeten Abstieg kann ich nur bestätigen, wenn auch ungern. Aktuelles Beispiel: Die BZ, Mitsponsor und Medienpartner (!) einer Berliner Großveranstaltung (20.000 Besucher) mit Live-TV-Übertragung im rbb, stellt zwar Hüpfburg und Promostand, schafft es aber nichtmal, in der Sonntagsausgabe über den Freitagabend (Ende 22:30 ) auch nur eine Zeile zu berichten...
Verteilt aber Gratisexemplare am 2. Tag.
Mario (Gast) - 2013-07-15 10:47

DIe Debatte

Für alle die dieses "Facebook" meiden: Hier die besten Beitraege der dortigen "Debatte":

" ...aber die gibt's doch immer" ("Jenni Jennina")
" Die "beste Zeit" sollte sehr oft jetzt sein" ("Barbara von Krosigk")
"Leider sehr treffend beschrieben. Für die Mehrheit kommt da nicht mehr viel." ("Fabian Schweyher")

Danke, dass Sie dieses Facebook unterstuetzen und die Welt mit solchen großartigen Debatten bereichern!
jj preston (Gast) - 2013-07-15 12:29

Tja, aber was heißt das am Ende?

Vollzieht sich nicht im Journalismus letztlich das, was auch in anderen Wirtschaftszweigen passiert? Praktisch überall gibt es doch "Marktbereinigung" und die Konzentration auf wenige Player. Warum sollte das im Journalismus anders sein? Immerhin sorgen die verordneten Schemata des politischen Weltbildes ohnehin für das Erwartbare.

Vom wirklich investigativen Journalismus haben sich ohnehin die meisten Medien verabschiedet - das zeigen allein schon die Reaktionen auf PRISM. Beim Leistungsschutzrecht ging es der Branche um nicht weniger als die Pressefreiheit, und PRISM - was wirklich eine Gefahr für alle wäre, die nach Art von Woodward und Bernstein die Aufgabe der Presse wahrnehmen wollten (und in dieser Hinsicht steht Edward Snowden in einer Linie mit Mark Felt!), denn der Informantenschutz ist als nicht mehr gewährleistet anzusehen - wird mehr oder weniger völlig ignoriert.

Abgesehen davon ist das deutsche Verlagswesen wie ein Mensch ohne Führerschein, der sich über Geschwindigkeitsbegenzungen auf der Autobahn beklagt. Ständig wird gejammert, es sei im Internet kein Geld zu verdienen - aber es wird nicht mal versucht. Dabei zeigen Polen, Slowakei und Slowenien, wie es gehen kann, mit der Paywall von Piano Media, bei der der Nutzer ein Abo bezahlt und viele verschiedene Medien lesen kann. Aber die Verlagshäuser sind viel zu verkrustet im Kopf, um auch nur eine Zusammenarbeit untereinander zu erwägen. Denn sowas lernt man ja nicht in BWL: Entweder Konkurrenz bis zur Insolvenz oder Aufkaufen. Visionen? Wer soll sich das noch leisten können?

"Es gibt tausende von verdammt guten Journalisten da draußen, die nicht wissen, wo sie hin sollen."
Tja, vielleicht wäre der Ansatz, was Eigenes zu schaffen. Eine eigene Publikation, in der all das geleistet wird, wovon sich traditionelle Medien längst verabschiedet haben?
Dazu müsste man allerdings das Jammern aufgeben...
7an - 2013-07-15 16:48

Lieber JJ Preston,

Niemand jammert, es werden Fakten genannt. Ihre Darstellung hingegen greift leider viele Klischees auf. In der deutschen Verlagslandschaft hat sich schon viel getan in Bezug auf digitale Geschäftsmodelle und es wird noch sehr viel mehr geschehen. Trotzdem ist das Beispiel aus Polen ein gutes Beispiel. Vielleicht sind die da schon ein Stück weiter. Aber was investigativen oder auch nur guten Journalismus betrifft, da macht den Deutschen niemand so schnell was vor. Wir haben verdammt viele gute Zeitungen, Zeitschriften und Sendungen und Journalisten in Deutschland. Es ist nicht so wie in Frankreich, dass die großen Titel nicht mehr so richtig unabhängig sind und deshalb ein Portal wie Mediapart hierzulande großen Erfolg einheimsem könnte. Und man braut auch nicht Mal eben mit fünf freien Journalisten sowas auf. Edwy Plenel hat fünf Millionen Euro beisammen gehabt, um 30 Journalisten drei Jahre lang bezahlen zu können. Mit ein paar Leuten und ohne großes Kapital kann man bestenfalls ein Lokalblog aufbauen - aber Geld verdient man damit nicht wirklich.
mrtlbrmft (Gast) - 2013-07-15 17:23

Jugendlicher Idealismus vs. berufliche Realität

Lieber Herr Söfier, Ihnen geht es - bezogen auf das Gefühl das sie beschreiben - nicht anders als vielen anderen StudentInnen. Auch mir ging es - mittlerweile mehrere Jahrzehnte im Beruf stehend - so (allerdings bin ich in einer gänzlich anderen Branche tätig).

Wenn man als junger Mensch eine Schule abgeschlossen hat oder ein Studium, dann ist das für einen selbst erst einmal der (wenn auch vorläufige) krönende Abschluss einer einige Jahre andauernden Phase; man freut sich etwas geschafft, etwas erreicht zu haben. Im Grunde möchte der Idealist in einem jetzt hinaus in die Welt gehen und Ihr seinen Stempel aufdrücken, alles schöner, besser und gerechter machen.

Nur: während man zu Zeiten des Studiums relativ frei in seinen Entscheidungen war - man teilte sich die Zeit zum Lernen selber ein, man lernte im Gegensatz zur Schule nur das was einen sowieso interessierte - trifft man nun im Berufsleben auf ein meist eng gestricktes "Korsett" aus Vorgaben - sei es was den Aufgabenbereich angeht, die Wahl der Mittel oder sonstiges, was man sich zu Studienzeiten irgendwie anders vorgestellt hatte.

Man wird, kurz nach dem Studium förmlich vor Energie nur so strotzend, nicht selten abrupt in seinem Enthusiasmus gebremst. Meist kommt man - wenn überhaupt - mit seinen Ideen und Änderungen nur in vielen kleinen, zeit- und energieraubenden Schritten voran. Was speziell bei Jüngeren dann schnell zu Frust oder gar Enttäuschung führt.

Ich finde das ebenso schade wie sie, aber vielleicht kann der jetzige Zustand - zumindest für einige Ihrer Zunft - auch die Chance auf einen Neuanfang sein. Sie können schreiben, sie wissen sich auszudrücken - aber sie sind deswegen ja nicht nur auf Online-Magazine wie den "Spiegel" oder die "FR" eingeschränkt.

Um abschließend auf Ihre Star-Trek-Anmerkung bezug zu nehmen: Leben Sie lange und in Frieden!
7an - 2013-07-15 17:37

Besten Dank, da haben Sie Recht. Leider ist es oft schwierig, als freier Journalist mehr zu erreichen, als vereinzelte Themen anzubieten - ganz gleich bei welchem Medium. Und die Honorare sind fast überall extrem gering. Als rein freier Autor zu überleben, ist schwierig bis unmöglich. Und selbst wenn man sich breiter aufstellt, bleibt es schwierig. Mal sehen, was die nächsten zwei, drei Jahre bringen.
fritz (Gast) - 2013-07-15 23:23

In der ersten Woche meines Studiums, in der ersten Stunde bei meinem Professor, lautete sein dritter Satz:

"Keiner wartet auf euch!"

Es gibt jetzt schon mehr Fotografen, als gebraucht werden oder ansprechend bezahlt werden können. Auch auf eventuell gut ausgebildete Fotografen wartet keiner mehr. In dem Bewusstsein studieren und leben ich und meine Kommilitonen. Wir kannten es nie anders.
A.way (Gast) - 2013-07-28 09:20

Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom, heißt es irrtümlicherweise. Wer "in seiner Energie" ist, wird sich in und mit dem Strom weiter-entwickeln. Stagnation ist die Antipode zu Leben. Wer sich darauf ausruht, einstmals laufen gelernt zu haben, wird nie das Tanzen lernen, nie das Fliegen beherrschen. Und so ist es eben auch mit der Ausbildung zum Sternenflottenoffizier, der schließlich feststellt, dass die Sternenflotte eingestellt wurde. Die Ausbildung ist nie unnütz, bedarf nur der Transformation, der Weiter-Entwicklung...mit dem Fluß, im Fluß, lebendig. Und die Bereitwilligkeit des Selbst, Ver-Änderungen zuzulassen. So ist das. Und es tut nicht weh. Nur ein bißchen. Fällt unter "Wachstumsschmerz"
Johanna (Gast) - 2013-12-05 10:34

Danke

Vielen Dank für diese Sätze: "Es sollte eine sehr gute Zeit sein, aber nicht die beste. Alleine schon, weil dann ja die beste Zeit bereits hinter einem liegt."

Genau das denke ich mir immer im Stillen, wenn ich lese, wie viele Leute allein schon die Schulzeit als die beste Zeit ihres Lebens preisen. Wie sehr man damit entwertet, was gerade jetzt stattfindet! Ist der Rest dann nur sukzessiver Verfall, ein Abklatsch? Kann man das überhaupt sagen?
Ist der Gedankenfehler nicht vielmehr, dass wir glauben, wir müssten irgendwann erwachsen werden und leben und uns in ein Arbeitskorsett zwingen, das uns nicht entspricht?

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