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der journalismus

Samstag, 13. Juli 2013

Bereit, aber nicht gebraucht

Über die Hoffnungslosigkeit einer ganzen Branche

Viele Menschen sagen, das Studium sei die beste Zeit ihres Lebens gewesen. Das sehe ich nicht so. Es sollte eine sehr gute Zeit sein, aber nicht die beste. Alleine schon, weil dann ja die beste Zeit bereits hinter einem liegt. Wer das vergangene Studium also die beste Zeit seines Lebens nennt, hat auch aufgehört, eine bessere Zeit anzustreben. Dennoch muss ich die Tage öfter an meine Studienjahre zurückdenken. Nicht, weil das Leben so frei und schön war, sondern weil es Perspektiven gab.

In den Jahren zwischen 2003 und 2007 wusste ich, dass ich ein zukunftsträchtiges Fach studierte. Es war klar, dass wir gebraucht würden. Online-Journalismus war wichtig. Die Zeiten sahen gut aus. Sicher, es hatte so etwas wie eine Internetblase gegeben, aber das war Geschichte. Verlage investierten nun gezielt in die neuen Medien. Kurz gesagt: Ich war gänzlich unbeschwert und optimistisch. Der Berufseinstieg änderte das.

Im Studium hatten wir sehr viele sehr tolle Sachen gemacht. Nur: Mit dem Arbeitsalltag in den meisten Online-Redaktionen hatte das wenig zu tun. Da gab es nur den Content-Drill. Möglichst schnell, möglichst viel Content durchschleusen - und für diesen Nachrichten-Stress war ich dann doch nicht vorbereitet. Natürlich war der Job schlecht bezahlt, ohne Vertrag oder sonstige Leistungen. Immerhin: Die Frankfurter Rundschau war ansonsten ein toller Laden. Die Kollegen, die Redakteure im Haus sehr nett, eine besondere Gemeinschaft. Trotzdem wollte ich den Job nicht ewig machen. Ich wollte ja schreibender Journalist sein oder werden, große Geschichten recherchieren und schreiben, und nicht nur Content bearbeiten - auch wenn, das sei gesagt, eine gewisse Zeit im Nachrichtengeschäft eine gute Schule ist, eine gute Basis für alles im Journalismus. Dennoch: Ich schlug die Festanstellung als Online-Redakteur (also Content-Verschieber) aus. Ich wäre sonst depressiv geworden. Es folgten Reportageschule, große Stories und zwei Monate beim SPIEGEL.

Nun sind erneut ein paar Jahre vergangen und ich wünsche mir doch etwas aus meiner Studienzeit zurück: die Unbeschwertheit, den Glauben an die Zukunft. Den habe ich nämlich verloren. Meine Tätigkeit als Medienjournalist mag dazu beigetragen haben.

Die Branche ist kaputt. Der Journalismus ein geprügelter Mensch. Die einzigen Nachrichten, die es gibt, sind schlechte. Und sie stoppen nicht. Redakteure werden entlassen, Seiten eingestellt, Autorenhonorare gekürzt, Buy-Out-Verträge aufgezwungen, Büros geschlossen, Tariffluchten begangen, Zeitungen insolvent gemeldet, nicht mal für neue freie Autoren ist Geld da.

Ich sah gerade auf Xing das Profil eines älteren Journalisten. "Arbeit suchend" stand da. Ein Journalist wie aus dem Bilderbuch. Mit Hut und Trenchcoat. 25 Jahre im Job. "Arbeit suchend".

Die Tage telefonierte ich mit einem Kollegen. Auch seit rund 30 Jahren im Job. Ein hochprofilierter Mann. Eigentlich rief ich nur wegen einer kleinen Information an. Am Ende sprachen wir eine halbe Stunde. Er sprach. Es war ein Totengesang auf die Branche. Er musste sich mal Luft machen. Aber es ist klar, dass diese Gedanken seinen Alltag dominieren. Vielleicht nicht immer im Vordergrund, aber doch immer da, wie eine schlechte Grundstimmung. Ich hatte das nicht erwartet. Diese Stimmung kenne ich, mir ist sie auch zu eigen.

Damals im Studium mochte ich besonders die Sonntage. Die Nacht zuvor war ich aus gewesen. Sonntags schlief ich lange. Dann kamen zwei Folgen Star Trek, danach ging ich jobben. Die Tage schaue ich wieder Folgen von Star Trek. Eine Sache gefällt mir ganz besonders: dass die Sternenflotten-Offiziere Teil von etwas besonderem sind. Es ist der Job, auf den sie ihr Leben lang hingearbeitet haben. Und dort angelangt, können sie erst so richtig loslegen. Genau in dieser Position bin ich. Ich habe auch die schönste Profession, die es gibt. Ich habe mich sieben Jahre lang auf hohem Niveau ausbilden lassen, Berufserfahrung und jetzt bin ich bereit - aber die Branche ist es nicht. Sie ist im Niedergang. Ich denke daran, wie es Mal gewesen sein muss bei der Frankfurter Rundschau. Ich habe viele alte Geschichten gehört. Die Rundschau war mal ein besonderer Ort. Jetzt ist kaum noch etwas von der Zeitung übrig und selbst darum bin ich dankbar. Es gibt andere besondere Zeitungen: die Berliner Zeitung. Über sie rollt gerade die zweite Kündigungswelle hinweg. Selbst beim SPIEGEL, hieß es kürzlich, sollen Stellen abgebaut werden. Es gibt tausende von verdammt guten Journalisten da draußen, die nicht wissen, wo sie hin sollen. Die bereit sind, aber nicht gebraucht werden. Wie ich. Und viele von denen, die gebraucht werden, verzweifeln ebenfalls.


Die Debatte dazu auf Facebook

Dienstag, 7. Mai 2013

Die Wahrheit (über Freiberufler)

Als Freiberufler schläft man lange, hört dann aber trotzdem früh mit der Arbeit auf, weil man es nicht nötig hat, Geld zu verdienen. Als Freiberufler arbeitet man nur, wenn man konkrete Aufträge abarbeitet, recherchiert und schreibt beispielsweise. Alles andere ist keine Arbeit. E-Mails, Twitter, Korrespondenzen, Rechnungskram, offene Recherchen: Das ist Freizeit. Als Freiberufler hat man daher sehr sehr viel Zeit für alles mögliche - besonders für Erledigungen, Einkäufe und Haushaltskram. Eigentlich arbeiten Freiberufler gar nicht richtig, denn sie haben ja nicht mal einen richtigen Job.

Aus: Dinge, die am Ende doch irgendwie immer wieder gerne von prinzipiell jedem (der nicht selbst Freiberufler ist) gegen Freiberufler verwendet werden.

Dienstag, 1. Januar 2013

2013

Viel Erfolg allen im neuen Jahr!

Mittwoch, 25. Juli 2012

Die Frage nach dem Neuen

Das Studium ist lange vorbei - auch der Ausbruch aus dem ersten Job auf der Suche nach Mehr. Die Grenzen sind längst verschoben. Damals war die Reportageschule Symbol von Freiheit und Selbstverwirklichung. Sie ist absolviert. Gut zwei Jahre sind seitdem vergangen. Nach einem fragte ich mich, was Neues kommen könnte und bewarb mich für eine Hospitanz beim SPIEGEL. Sie nahmen mich für die acht Wochen als Pauschlisten, das war schön, ist aber auch schon wieder zwei Monate her. Und wieder taucht die Frage auf: Was nun?

Freitag, 15. April 2011

Die gescheiterte Königsmörderin

Strafanzeigen, Hausdurchsuchungen, Antisemitismus-Vorwürfe: Als Schatzmeisterin des DJV Berlin hat Jutta Rabe einen Kleinkrieg gegen ihre Vorstandskollegen geführt. Gestern wurde sie abgewählt. Für den Verband enden damit dunkle Jahre.

Schon mit ihren ersten Sätzen gibt Jutta Rabe einen Einblick in ihre Welt voller Verschwörungstheorien. Es sind ihre letzten Minuten als Schatzmeisterin des Deutschen Journalisten-Verbandes Berlin. „Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass, wie auch letztes Mal, so ein Schlägertrupp wieder im Saal ist. Die müssen entfernt werden. Ich bin beim letzten Mal angegriffen worden“, sagt Rabe. Zudem müssten auch „alle Handys und Computer abgegeben werden, damit nicht übers Internet nach draußen Verbindungen aufrecht erhalten werden“.

An den Angriff scheint nur sie sich zu erinnern. Der vermeintliche Schlägertrupp im Raum sind lediglich zwei Saalordner, welche die Katholische Akademie in Berlin-Mitte, in deren Räumen die außerordentliche DJV-Berlin-Mitgliederversammlung tagt, vorschreibt.

Gestern Abend ist Jutta Rabe von ihrem Amt als Schatzmeisterin mit 78 von 106 Stimmen und sieben Enthaltungen abgewählt worden. Ihre Nachfolgerin, die langjährige Fotografin der Berliner Morgenpost, Gabriele Fromm, erhielt 84 von 91 Stimmen, darunter ebenfalls sieben Enthaltungen: „Ich werde euch nicht enttäuschen", sagte Fromm.

Der große Knall

Was fast nach Verbandsroutine klingt, ist nicht weniger als das Ende eines jahrelangen Kampfes, eines Kampfes, an dem der DJV Berlin, der Gründerverband des DJV, beinahe zugrunde gegangen wäre. Der große Knall kam 2004. Die DJV-Zentrale in Bonn schloss den Landesverband Berlin und den Landesverband Brandenburg aus dem Dachverband aus und gründete zwei neue Landesverbände, die später zum DJV-Journalistenverband Berlin-Brandenburg (JVBB) fusionierten. Heute gibt es in Berlin und Brandenburg parallel existierende DJV-Verbände. Grund für den damaligen Ausschluss waren fragwürdige Vorstandswahlen. Stimmen sollen gekauft worden sein, Mitglieder von Brandenburg nach Berlin in großer Zahl transferiert worden sein. Nicht zuletzt wurden dem damaligen Vize-Vorsitzenden des DJV Brandenburg, Torsten Witt, rechtsradikale Verbindungen nachgesagt. Alexander Kulpok, damals DJV Berlin-Chef, der sich mit Hilfe von über Nacht nach Berlin gewechselten Brandenburger Mitgliedern wiedergewählt haben lassen soll, wurde obendrein vorgeworfen, den Verband kaputtgewirtschaftet zu haben. Vor seiner Amtsübernahme war der Landesverband Berlin einer der reichsten, als Kulpok 2005 abgewählt wurde, musste der Insolvenzverwalter kommen.

DJV Berlin-Mitglieder, die das Geschehen von Anfang an beobachtet haben, mutmaßen, dass Jutta Rabe vom früheren Verbandsvorsitzenden Alexander Kulpok dazu beauftagt worden war, den neuen Vorstand zu sabotieren. Ob mit Auftrag oder aus Eigeninitiative: Als Schatzmeisterin und Mitglied des Vorstands hatte Rabe genug Möglichkeiten. Und sie nutzte sie. So soll sie maßgeblich dazu beigetragen haben, die Fusion des DJV Berlin mit dem JVBB im vergangenen Jahr verhindert zu haben - indem sie Angst schürte, der JVBB sei nur auf das Verbandsvermögen aus.

Schlachten von gestern

Aber nicht genug: Den Vorsitzenden Peter Pistorius beschuldigte Rabe, antisemitische Äußerungen gemacht zu haben. Vor dem Landgericht Berlin musste sie dann in einem Vergleich zustimmen, diese Vorwürfe nicht mehr zu wiederholen. Dafür stellte sie gegen Pistorius Strafanzeige, weil dieser angeblich Verbandsgelder veruntreut haben sollte, worauf hin die Polizei vor drei Wochen die Geschäftsstelle des DJV Berlin und die Wohnung von Pistorius durchsuchte. Ohne Ergebnis.

Pistorius sagte dazu gestern Abend vor der Abwahl Rabes: „Die ganze Liste der Scheußlichkeiten möchte ich hier mit Rücksicht auf ihre Geduld und auf den guten Geschmack nicht präsentieren. Aber es muss jetzt Schluss sein mit der Raserei, die diesen Verband zu Grunde richtet. Im anmaßenden Opferton, den Frau Rabe ja so perfekt beherrscht, fantasiert sie immer noch von Enteignung, von Vernichtung des DJV Berlin, von Zwangsumsiedlung seiner Mitglieder, sie schlägt die Schlachten von gestern, um von den unerträglichen Zuständen abzulenken, die sie selber heraufbeschworen hat.“ Rabe wisse, wovon sie spreche, wenn sie von Untreue und vom Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen rede.

Dazu muss man wissen, dass Jutta Rabe 2008 vor ihrem Antritt als Schatzmeisterin vom Amtsgericht Potsdam wegen „Vorenthaltens von Arbeitsentgeld in 15 Fällen sowie wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung und wegen Untreue“ zu einer Geldstrafe verurteilt worden ist. Rabe ihrerseits warnte „dringend“ vor ihrer Abwahl, weil die Mitglieder dann die letzte Möglichkeit verlören, „dass sich wirklich jemand für diesen Verband einsetzt und eine Kontrollfunktion ausübt“. Kontrolle hat Jutta Rabe gerne, vor allem über Menschen und mediale Botschaften. Das hat sie auch als Dokumentarfilmerin bewiesen. In ihrer Berichterstattung für Spiegel TV über den Untergang der Estonia hat sie die These vertreten, die Fähre sei von Terroristen versenkt worden. Später wurde bekannt, dass Rabe sehr gute Verbindungen zum Hersteller der Fähre gehabt haben soll. Rabes Bombenanschlags-Theorie kam ihm sehr entgegen, weil sie Schuld ablenkte. Spiegel TV distanzierte sich, als die Verbindungen herauskamen, von Rabe. Der damalige Spiegel-Chef Stefan Aust sagte gegenüber expresso-guide.de: „Zu diesem Zeitpunkt wurde offenbar, dass Frau Rabe die Suche nach der Wahrheit als persönlichen Feldzug begreift und die Grenzen journalistischen Handelns verlässt.“

Auch gestern Abend kämpfte Jutta Rabe noch bis zuletzt um ihren Posten. Die beiden unabhängigen Anwälte, Cord Heinichen und Amadeus Meisse, die souverän durch die Versammlung leiteten, wollte Rabe verhindern. Ihre Handvoll Unterstützer torpedierten den Vorstand mit allerlei sinnlosen Anträgen. Rabe wollte gar den gesamten Vorstand abwählen lassen. Am Ende half ihr nichts. Nachdem das Wahlergebnis verkündet wurde, sagte sie, bevor sie mit ihren Unterstützern ging: „Ich möchte dem Verband wirklich alles, alles erdenklich gute wünschen.“ Geglaubt hat ihr das im Saal wohl niemand mehr.

Samstag, 19. März 2011

Kapitulation

Irgendwann ist es bei der Arbeitsbelastung und den Honoraren vieler journalistischer Tätigkeiten auch mal vorbei.

Sonntag, 13. März 2011

Japan

Das Ausmaß der Tsunami-Katastrophe von Japan macht sprachlos und der Höhepunkt dürfte noch nicht einmal erreicht sein. Vorgestern war von weniger als 100 Toten die Rede, jetzt bereits von 10.000. Alleine die Zahl der Einzeltragödien ist nicht zu erfassen. Ein Schiff mit 80 Passagieren: verschwunden. Ein ganzer Zug: verschwunden. 200-300 tote Kinder im Meer. Reaktorunfälle. Die Bewohner ganzer Städte werden panisch geflüchtet sein. Japan dürfte den Rest des Jahres in den Medien bleiben. Wie werden die Reporter der großen deutschen Häuser damit umgehen? Viele dürften schon ihre Koffer gepackt haben, etliche sind bereits da. Doch wie verschafft man sich überhaupt einen Überblick inmitten solch einer nationalen Katastrophe?

Spiegel-Bangkok-Korrespondent Thilo Thielke landete schon am Samstagnachmittag Ortszeit in Tokio - als die Reaktorhülle von Fukushima 1 explodierte.

Spiegel-Chefredakteur Georg Mascolo hat derweil den Druck des Blattes gestoppt, um noch einmal die Titelgeschichte zu ändern. Wann gab es das schon mal beim Spiegel?

Mittwoch, 9. März 2011

Migranten für die Medien: Journalismus-Ausbildung am Bildungswerk Kreuzberg

Am 30. November 2010 hat das Bildungswerk Kreuzberg (BWK) in Berlin den ersten Jahrgang der Bikulturellen Crossmedialen Fortbildung für Migranten in die Arbeitswelt entlassen. Projektleiter Uwe Schulte über neue Leserschaften, Konflikte im Unterricht und warum die Ausbildung schon wieder vor dem Aus steht.

(Dieses Interview erschien in stark gekürzter Fassung im Dezember 2010 in Medium Magazin).


Uwe SchulteHerr Schulte, wozu braucht es eine Journalistenschule für Menschen mit Migrationshintergrund?

Wenn die Demokratie Ernst genommen werden soll, müssen die Medien die Realität so wiedergeben, wie sie von der Bevölkerung wahrgenommen wird. Jeder Fünfte in Deutschland hat einen Migrationshintergrund, aber nur rund eineinhalb Prozent der Journalisten.

Das mag sein, aber Menschen mit Migrationshintergrund können doch auch andere Journalistenschulen besuchen oder den Berufseinstieg über Praktika und Volontariate finden.

Wenn Sie diese Schulen fragen, sagen die, es bewerbe sich niemand entsprechendes bei ihnen. Vielleicht fehlt der Mut, aber wir müssen dann fragen, warum das so ist und ob das tatsächlich nur an den Bewerbern liegt.

Oder die Nachfrage ist nur politisch gewollt.

Für den aktuellen Jahrgang hatten wir 250 Bewerbungen.

Und wie interessiert sind die Verlage und Rundfunkhäuser?

Bei Axel Springer suchen sie gerade händeringend nach Journalisten mit türkischem Hintergrund, um die entsprechende Leserschaft zu erschließen. Die Nachfrage steigt. Je mehr Migranten nicht nur in Alibi-Funktionen im Fernsehen zu sehen sind, sondern substantielle Berichterstattung machen, desto mehr werden folgen.

Ist es nicht paradox, dass gerade Springer so sehr nach türkisch-stämmigen Journalisten sucht, obwohl die Bild-Zeitung, das prominenteste Blatt des Konzerns, gerne Titel schreibt wie: "Zu viele junge Ausländer sind kriminell" oder "Die bittere Wahrheit über Ausländer und Hartz IV"?

Ja. Herr Diekmann würde das allerdings anders sehen und sagen: „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen.“

Der erste Journalisten-Jahrgang am BWK ist gerade fertig. Wie ist ihr Fazit?

Eine unserer Absolventinnen, Marianna Mamonova, hat gerade den Kausa-Medienpreis in der Kategorie Hörfunk gewonnen. Eine andere Absolventin arbeitet zurzeit als Schlussredakteurin beim ZDF. Manche haben Angebote von Radiosendern oder TV-Produktionsfirmen oder für Volontariate. Wieder andere machen noch Praktika. Aber selbstverständlich sind auch einige ohne realistische Perspektive geblieben.

Im Schnitt klingt das nach einem guten Ergebnis.

Ja, aber wenn die Jobcenter uns nicht stärker entgegenkommen, wird es so keinen dritten Jahrgang geben.

Bitte?

Die Schule finanziert sich über den sogenannten Bildungsgutschein. Im aktuellen Jahrgang haben aber nur halb so viele Schüler wie im Jahr davor einen Gutschein bekommen.

Ist der nicht nur für unqualifizierte Arbeitslose?

Einen Bildungsgutschein können Sie auch bekommen, wenn Sie im Arbeitsleben stehen, aber von Arbeitslosigkeit bedroht sind. Überall wo Bildungsbedarf notwendig erscheint, kann ein Gutschein vergeben werden.

Sie setzen bei Ihren Bewerbern Hochschulerfahrung voraus. Und diese Universitätsabsolventen müssen dann zum Jobcenter gehen und Arbeitslosengeld II samt Bildungsgutschein beantragen?

Ohne Hochschulbildung wird es schwer, journalistisch Fuß zu fassen. Insbesondere als Quereinsteiger. Allerdings ist der mit Abstand überwiegende Teil der Bewerber ohnehin als arbeitslos oder arbeitsuchend gemeldet. Den Gutschein kann man zudem auch ohne Arbeitslosengeld erhalten.

Fehlt ein alternatives Finanzierungskonzept?

Jetzt werfen Sie uns den Ball zu, aber wir haben die Ausbildung auf konkreten Hinweis der Arbeitsagentur und der Bundesbeauftragten für Migration, Maria Böhmer, gegründet. Wir glaubten dass uns Arbeitsagenturen und Jobcenter die nötigen Mittel zukommen lassen. Die politischen Entscheidungsträger sind aber nicht die Sachbearbeiter, die über jeden Gutschein entscheiden.

Kann man die Ausbildung nicht selber bezahlen?

Doch, sie kostet 12.000 Euro für 15 Monate.

Müssen Sie gute Bewerber ablehnen, weil diese den Bildungsgutschein nicht bekommen haben?

Ja, eine große Anzahl. Wir nehmen gute Bewerber im Zweifel zwar erstmal auf, aber viele brechen dann ab, weil die Situation prekär ist und sie ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten können.

Wie viele Schüler sind im aktuellen Jahrgang?

Wir haben nach dem Assessmentverfahren 25 Bewerbern einen Platz angeboten, davon hatten acht einen Bildungsgutschein. Nun sind noch 16 dabei, zwölf sind finanziert. Ich kann diese Sachbearbeiter aber teilweise verstehen. Es ist schwer vermittelbar, jemandem, der schon einen oder mehrere Hochschulabschlüsse hat, einen teuren Bildungsgutschein hinterher zu werfen. Trotzdem, dass wir von 23 Schülern mit Gutschein im letzten Jahrgang auf zwölf runterbrechen, war nicht zu erwarten.

Und nun?

Der Kurs trägt sich so nicht mehr. Er ist für knapp 20 Leute konzipiert. Wir sind nach wie vor eine GmbH und können das nicht subventionieren.

Schmeißen Sie die vier ohne Gutschein raus?

Das bringe ich nicht übers Herz. Wir wenden uns jetzt an Stiftungen und hoffen, noch ein, zwei Kostenübernahmen zu bekommen.

Warum sagen Sie nicht, dass nur anfangen darf, wer bereits einen Gutschein hat?

Dann hätten wir mit der Ausbildung gar nicht starten können, weil noch so viele zu Beginn keinen Gutschein hatten.

Können Sie von der Migrationsbeauftragten Böhmer nicht mehr Mittel bekommen?

Sie hat kaum Mittel. Sie bräuchte dafür ein Budget. Das Bildungsministerium könnte auch etwas machen. Oder eine Co-Finanzierung durch die Europäische Union wäre eine Idee.

Sie sagten, Sie hätten die Ausbildung auf politischen Wunsch hin gegründet. Wie war das genau?

Die Idee kam von Maria Böhmer am Rande des Integrationsgipfels 2007. Auch Heinrich Alt, Mitglied des Vorstandes der Bundesagentur für Arbeit und der emeritierte Journalistik-Professor von der Universität Dortmund, Ulrich Pätzold, haben dem zugestimmt. Pätzold leitet unsere Ausbildung nun inhaltlich. Böhmer war besorgt, dass es so wenige Journalisten mit Migrationshintergrund gebe. Nihat Sorgeç, Geschäftsführer des Bildungswerks, der solche Ideen immer sehr schnell aufgreift, sagte, wir könnten am BWK eine Journalistenausbildung für Menschen mit Migrationshintergrund aufbauen.

Sie bilden hier aber überwiegend Jugendliche mit Migrationshintergrund für Handwerksberufe aus.

Das war eine echte Zäsur. Wir hatten die Strukturen für eine solche Ausbildung für Akademiker nicht. Also haben wir sie eingekauft, beim Weiterbildungs-Zentrum Haus Busch in Hagen, mit guten Dozenten und Beratern. Die haben das Curriculum entworfen und die ersten Strukturen geschaffen. Es gab natürlich auch Startschwierigkeiten. Heute stehen wir auf eigenen Beinen.

Wer unterrichtet bei Ihnen?

Daniela Milutin vom WDR ist für die Radioausbildung verantwortlich, Christian Keller vom WDR fürs Fernsehen, Fanny Facsar vom ZDF für Online und Ulrich Pätzold für Print. Dazu kommen viele Dozenten von unseren Partnern.

Wer sind Ihre Partner?

Der RBB, das ZDF, der Tagesspiegel, die taz, der freitag, Radio Bremen, Zitty, Zeit Online, Der Spiegel (Berlin), die dpa, die Berliner Zeitung, Radio MetropolFM, Hürriyet und Sabah, Axel Springer kommt gerade dazu, die Pressestelle des Bundesministeriums für Bildung und der Integrationsbeauftragten und einige andere.

Nehmen Sie nur Menschen mit Migrationshintergrund oder auch zugezogene Ausländer auf?

Sowohl als auch.

Wie wichtig ist die Deutsche Sprache?

Wir bestehen auf sehr guten Deutschkenntnissen. In einem Fall haben wir eine Ausnahme bei einem Bewerber mit türkischem Hintergrund gemacht, der für türkische Zeitungen in Deutschland arbeiten möchte.

Wie setzen sich die Jahrgänge zusammen?

Im ersten Jahrgang hatten wir unter anderem eine türkische Gruppe, eine hispanische, Nah-Ost-Araber, Polen und Russen. Jetzt sind wir sehr kerneuropäisch und haben vor allem Schüler aus Italien, Polen, Kroatien, Frankreich, England und der Türkei. Die meisten sind um die 30. Unser Alters-Obergrenze ist bei Anfang 40.

Bringen so viele Kulturen nicht Spannungen mit sich?

Oh ja! Im ersten Jahr hatten wir in jeder religiösen, politischen, geografischen und sexuellen Hinsicht Frontverläufe. Aber das schärft auch die Argumentationen.

Interview: Jan Söfjer


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Uwe Schulte, 43, Dipl.-Politologe und Weiterbildungsmanager hat zehn Jahre lang in der organisatorischen Leitung privater Hochschulen gearbeitet. Seit vergangenem Jahr ist er Projektleiter für die Journalistenausbildung für Migranten am Bildungswerk Kreuzberg (BWK) und verantwortet internationale Bildungsprojekte des Hauses. Das BWK kümmert sich seit 25 Jahren vor allem um die Ausbildung von Jugendlichen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt keinen Ausbildungsplatz bekommen.

Samstag, 18. Dezember 2010

Larry King: Abschied von einer Legende

"Erst nachdem das Licht ausging, ein einzelner Spot auf Larry Kings Mikrofon verweilte, sah man den Moderator im Schatten die Hand über die Augen legen." Eine Ära ist zu Ende. Larry King ist weg. [mehr auf FR-online.de ...]

Mittwoch, 17. November 2010

Übertaktet

Meine journalistische Generation kennt oftmals nichts anderes als das hektische und ausschließliche Produzieren. Wenn dann plötzlich Zeit da ist, dann staunt die Generation und weiß gar nicht, was damit anzufangen. Sie hat das hohe Gut, Muße für den Journalismus zu haben, nie wirklich kennengelernt. Qualität kennt sie nur als schizophrenen Begriff: Umso stärker die Geschäfts- und Verlagsführer sparen, desto größer soll sie werden.


Neuester Kommentar

Danke
Vielen Dank für diese Sätze: "Es sollte eine sehr gute...
Johanna (Gast) - 2013-12-05 10:34
Gut analysiert. Nur bei...
Gut analysiert. Nur bei der politischen Ausrichtung...
7an - 2013-10-10 15:08
Kein Interesse
Nur eine kurze Anmerkung. Journalisten denken von ihrem...
Otto Hildebrandt (Gast) - 2013-10-10 14:08

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