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Sonntag, 28. September 2008

Fundament des Dichtens


Verse sind nicht, wie die Leute meinen, Gefühle, es sind Erfahrungen.

Rainer Maria Rilke

Mit Dank an Barbara

Ergänzung: Eigentlich sind es nicht nur Erfahrungen. Es sind die Gefühle der Erfahrungen.

Donnerstag, 25. September 2008

Endstation Mittelmeer

Vor fast 1000 Jahren rief Papst Urban II. zum ersten Kreuzzug auf. Heute ist die Kueste von Genua, das immer noch das Wappen der Ritter fuehrt, eine beschauliche Touristengegend - doch zumeist nur fuer die, die von der richtigen Seite des Meeres kommen.

Ich sitze am Hotelpool und ueberlege, was ich schreiben koennte. Eine schoene Shortstory soll es sein. Nach ein paar Stunden habe ich einen kleinen Plott zusammen, doch er will nicht wirklich aufgeschrieben werden. Es ist immer das Gleiche. Ich moechte etwas erzaehlen, dass mich wirklich bewegt, eine spannende Geschichte - am besten mit einer gesellschaftskritischen Komponente. Aber wo soll so eine Geschichte herkommen? Kann man sich so etwas an einem Vier-Sterne-Hotel-Pool ausdenken?

Ich lasse es sein und gehe mit meinen Eltern in ein Cafe. Es ist ebenfalls direkt am Strand - nur ein paar Meter weiter. Wir trinken Tee, Cappuccino, Cognac und essen Gebaeck. Ab und an wimmeln wir einen Verkaeufer ab. Schwarze wollen Armbaendchen verkaufen und ein Suedlaender Rosen. Ich kann mich nicht erinnern, jemals einen Roseverkaeufer eine Rose verkauft sehen zu haben. Er haelt sie den Cafebesuchern direkt vor die Nase. Er lacht nicht. Er will nur Rosen verkaufen. Niemand kauft eine.

Die Kellner schieben Tische fuer eine Touristengruppe zusammen. Einige tragen Karohemden. Sie sprechen in heiterem Deutsch und bekommen grosse Glaeser mit Bier. Meine Eltern wollen zurueck ins Hotel. Ich hingegen moechte mir noch den Ort ansehen. Ich habe es in den zwei Tagen, die ich hier bin, nicht geschafft. Mittlerweile bin ich sehr erkaeltet, doch ich gehe trotzdem.

Ich passiere lange, enge Gassen mit Mode- und Schmuckboutiquen. Es geht steil bergauf. Am Ende kommt ein Buchladen. Grosse Laternen tauchen die Wege in gelbes Licht. Ich gehe tiefer in den Ort hinein. DIe Geschaefte verschwinden. Ich bin mehrmals nahe dran, den Weg zurueck einzuschlagen, doch immer zoegere ich und taste mich wie ein Blinder weiter voran. Und dann stehe ich auf einmal vor der Basilika Santuario di Gesu Bambino di Praga. Arkadengaenge ruhen im Halbdunkel, Brunnengeplaetscher mischt sich mit dem Meeresrauschen der Kueste. Im Turm singt ein Glockenspiel. Zwei Tage sass ich im Hotel oder in diesem Cafe, in dem sie 80er-Jahre-Dudelfunk spielen, aber diesen erhabenen Ort haette ich beinahe verpasst.

Spaeter stehe ich wieder am Strand. Das schwarze Mittelmeer schwappt in der Bucht. In der Ferne leuchten die Lichter von Genua. Noch heute fuehrt die Stadt die Flagge der Kreuzfahrer, das rote Kreuz auf weissem Grund, als Wappen.

Ich gehe zurueck zum Grand Hotel. Nach ein paar Metern sehe ich den Suedlaender von vorhin. Gebeugt sitzt er in einer ruhigen Ecke auf einer Bank. Seine duerftige Verkaeufer-Aura hat er mit den Rosen abgelegt. Jetzt ist er nur noch ein Mann um die 30 mit traurigem Gesicht. Er wirkt nicht so, als wenn er sich bereits mit seinem Schicksal abgefunden haette. Und in der Tat wuerde er auch nicht unter Studenten oder in einem Buereau auffallen. Aber vermutlich hat er nicht einmal einen Schulabschluss. Er erinnert mich an den Mann, der immer nachts an den Araltankstellen in Darmstadt steht und einem nuschelnd eine Obdachlosenzeitung verhalten entgegenstreckt. Jahrelang hat er mich genervt. Neulich bin ich umgedreht und habe ihn angesprochen. Ich war ueberrascht, wie gut er sich artikulieren konnte. Dreher hat er gelernt, ist aber schon lange arbeitslos. Sechs Stunden verkauft er taeglich seine Zeitunngen. Er meint, er wuerde gut zurecht kommen. Was fuer eine Geschichte hat wohl der Rosenverkaeufer?

Ich hatte kurz innegehalten, dann sehe ich, wie der Rosenverkaeufer sich wieder aufrafft. Ich passe ihn ab und wir gehen ein paar Meter zusammen. Er schaut mich an. "Where do you come from?", frage ich ihn. Doch er versteht kein Englisch und ich kein Italienisch. Mit Franzoesisch habe ich Erfolg. Doch von meinen sechs Jahren Unterricht sind nur eine Handvoll Woerter geblieben. Ich erfahre, dass er aus Marokko kommt und seit einem Jahr in Italien ist. Er sagt, er habe zwei Kinder und fragt mich nach fuenf Euro. Spaeter werde ich sie ihm geben. Vielleicht ist er mehr an meinem Geld als an mir interessiert, aber was kann er sich auch von dem Mitleid eines Deutschen Touristen kaufen, der in einem Vier-Sterne-Hotel wohnt? Wir versuchen uns ein wenig mehr zu erzaehlen. Gerne wuerde ich wissen, ob er in Marokko einen Beruf hatte, wuerde gerne mehr von seinem Leben erfahren. Auch wuerde ich ihm erzaehlen, dass ich die letzten Tage in Wien und Mailand war, aber wozu eigentlich? Kein Wort kann die Welten, die zwischen uns liegen, ueberbruecken. Ich werde wieder in mein Hotel gehen und er weiter Rosen verkaufen. Zum Abschied kuesst er mich auf beide Wangen und ich auf seine. Im Cafe sitzen die Deutschen und trinken Bier. Es ist eine schoene Nacht am Mittelmeer in Arenzano.

Freitag, 19. September 2008

Das zerrissene Frankfurt

In München scheint wirklich immer die Sonne. Immer wenn ich hier übernachte, erwartet mich am nächsten Morgen ein wunderschöner Tag. Und auch sonst ist diese Stadt einfach sauangenehm. Zweifelsohne eine der chilligsten Städte, die ich kenne. Auch der Bruch zu Frankfurt (wo ich zum Glück nur arbeite, aber nicht wohne) wird mir da immer wieder deutlich. Die Banken-Skyline sieht zwar hübsch aus, wenn man mit dem Zug ins urbane Herz der Stadt rauscht, aber zu Fuß komme ich mir in der Taunusanlage immer vor, als würde ich durch Second Life laufen. Die Türme lassen wenig Raum für Gemütlichkeit. Gleichzeitig fehlt aber richtiges Skyscraper-Feeling, wie es einen in New York erwartet. Nein, Frankfurt ist eine ambivalente Stadt. Sie ist zerrissen zwischen Business, Pendlern, festgesessenen Altbürgern und einer viel zu rustikalen Gemütlichkeit. Frankfurt ist weder Fisch noch Fleisch.

Dienstag, 16. September 2008

Feder & Blut

Ich würde gerne mal wieder etwas schreiben. Eine kleine Story. Aber ich bin niemand, der sich so etwas aus den Fingern saugt. Ich habe keine Lust, Stories zu plotten, zu erfinden, zu konstruieren. Warum sollte ich mir irgend etwas Absurdes ausdenken? Nein, ich möchte etwas schreiben, dass mein Blut durchwandert hat, ich brauche die Essenz einer Erfahrung.

Das Ende meiner Automobil-Ära

Zehn Jahre. Genauer 9 Jahre und 11 Monate bin ich Auto gefahren. Am 16. Oktober 1998 war ich zum ersten Mal alleine in meinem Auto, einem alten roten Opel Kadett, unterwegs. Ein guter Wagen. Bin viel mit ihm rumgekommen. Zum Beispiel war ich mit dem Opel zum ersten Mal in Darmstadt, um mich an der Uni einzuschreiben. 2004 ist er mir dann unter den Fingern zerfallen. Ein Händler hat ihn nur noch für lau genommen.

Aber ich hatte Glück. Ein entfernter Großonkel wurde zu alt fürs Fahren und hat mir seinen Audi 80 vermacht. Eine wirklich dicke Karre. Schön zum Cruisen. Zwei-Liter-Maschine, 120 PS. War mir ein treues Gefährt. Eben habe ich den Audi verkauft. Ein neuer Wagen wird nicht folgen. Zum ersten Mal seit zehn Jahren, zum ersten Mal seit ich meinen Führerschein habe, besitze ich kein Auto mehr. Und es ist gut so. Obendrein bin ich mobiler denn je.

Eigentlich habe ich das Auto nur noch benötigt, um, wenn das Wetter ungemütlich war, zum Training zu fahren und um Bierkisten zu transportieren. Aber dafür alleine rechnet sich ein Auto schwerlich. Vor allem, wenn teure Reparaturen anstehen.

Es ist ein wenig kurios. Die ganzen Jahre als Schüler und Student habe ich ein Auto besessen. Und eine eigene Wohnung. Und jetzt nach dem Studium habe ich darauf keine Lust mehr. Andere werden bürgerlicher und investieren in Materielles. Ich nehme davon Abschied.

Dienstag, 9. September 2008

Die Zeit der Abschiede beginnt

Das Klavier ist weg. Vorhin haben sie es abgeholt. War 'n gutes Gefühl. Aber trotzdem kommt mir die Wohnung jetzt so leer vor. Sei's drum. Das Auto verschwindet auch die Tage. Kein Bock mehr auf Reperaturen, Steuer und den ganzen Mist. Weg mit den bürgerlichen Geldverschlingern. In der Tat habe ich auch, als das Klavier abgeholt wurde, ein gutes Lüftchen Freiheit geschmeckt. Es bahnen sich ganz neue Zeiten an und es ist, als erwache man aus einem langen Winterschlaf und erkenne erst wieder, was man eigentlich für ein Mensch war. Und dennoch. Wenn man dann wieder manchen Morgen in der Bahn sitzt, ist man froh, dass das Leben geregelt ist und man sich gemütlich in seinem Trott ausruhen kann (der aber eigentlich das genaue Gegenteil und vor allem nicht gemütlich ist). Wagt man es aber nur einmal, kurz diese Pfade zu verlassen, jagt das Leben mit schreiender Freude in einen hinein. Carpe Diem!

Sonntag, 24. August 2008

Es war gestern, es war heute, es war lange her

Über die Notwendigkeit neuer Herausforderungen

Ich stehe am Geländer und trinke mein Bier. Die Sonne geht unter. Es war ein schöner Tag. Die Sonne geht unter. Sie tut das immer. Immer, wenn ich wie jetzt auf dem Balkon stehe und mir denke, dass alles so schön ist. Nichts inspiriert mich. Schon lange nicht mehr. Es plätschert alles beschwingt vor sich hin und die Monate verstreichen.

Freitag, 1. August 2008

Update

Neuer persönlicher Beitrag.

Reiseschriftsteller

Mit knapp zwei Stunden Verspätung ging es bei schönstem Frühlingswetter vom Flughafen Paderborn/Lippstadt los. Nach einem kurzen aber schönen Flug empfing mich “die Insel” mit geschlossener Wolkendecke, aber immerhin war es trocken.

Mit Quatar Airways ging unsere Reise mit einen Stop von 4 Stunden in Doha nach Kuala Lumpur (KL). Der Service an Bord war gut aber Doha Airport bietet nicht viel. In KL angekommen ging es mit dem Taxi zu unserer Unterkunft. Zuerst waren wir von den grünen Palmen links und rechts der Autobahn überrascht bis uns der Fahrer erklärte, dass das Oilpalmen seinen aus denen u.a. auch in Europa Biosprit hergestellt werden.

Ein Jahr lang haben wir geplant. Endlich war es soweit. Am 7. Dezember 2007 ging es dann los Richtung San Francisco, weiter mit dem Mietwagen nach Los Angeles. Von dort aus auf die Fiji-Inseln und nach 2 Tagen weiter nach Neusseland. Den Abschluss der Reise machte Hongkong.

Im September 1996 unternehme ich mit meinem Schwiegervater [...] eine Reise nach Lana bei Meran in Südtirol, Italien. Das Piemont-Gebiet, unser eigentliches Ziel, ist uns vom italienischen Tourismusverband für das Frühjahr ans Herz gelegt worden, da die Weinbauern im Herbst mehr Zeit mit der Ernte verbringen.

Eingebettet in schier endlos erscheinenden Regenwald sitzt du auf der Terrasse der Doli Lodge beim Sundowner und überlegst, an welche Stelle in der Liste der landschaftlichen Paradiese du diesen Ort einordnen sollt.

Nach einem langen Flug von Zürich über Atlanta landen wir abends in Cancun. In Atlanta musste ich mal wieder zum Second Screening der netten amerikanischen Einreisebehörde, zum Glück ging alles gut und ich durfte weiter nach Cancún fliegen :o)

Habe gerade die GEO-Reisecommunity entdeckt. Wer sich fragt, warum es Reisejournalisten oder Reiseschriftsteller wirklich braucht, lese sich einfach die Auszüge aus den Berichten von Menschen, die nicht dieser Profession nachgehen, noch zwei oder dreimal durch.

Samstag, 26. Juli 2008

Die Leere füllen

Es ist bescheuert: Ich freue mich tagelang aufs Wochenende, und jetzt, wo es da ist, weiß ich nichts damit anzufangen. Müsste ich in einer Stunde arbeiten, gäbe es sicherlich unzählige wundervolle Dinge, die ich liebend gerne machen würde, aber so ... nichts.

Mir ist quasi nie langweilig. Es gibt unendlich viel zu entdecken. Sei es im Internet, in Büchern, in der Welt. Meine Mutter fand das damals, als ich noch ein kleines Kind war, sehr angenehm. Sie brauchte mir bloß ein paar Bauklötze zu geben und mich in eine Ecke zu setzen und ich war auf Stunden beschäftigt. Und später war ich sowieso den ganzen Tag draußen und habe Felder und Wälder unsicher gemacht.

Aber jetzt erscheint mir alles so verbraucht. In meinem normalen Habitus wohlgemerkt. Ich muss mich ja nur ausklinken, nur die schützende Kuppel verlassen, die sich im weitesten Sinn zu Hause nennt. Vielleicht sollte ich einfach mal wieder aufbrechen. Koblenz habe ich auf meiner Deutschlandreise nicht mehr geschafft. Oder wie wäre Frankreich? Schaffe ich es bis dahin? Und was würde mich dort erwarten? Luxemburg sieht auf der Karte auch gut aus. Es fängt schon an zu kribbeln. Hmm.

Mittwoch, 23. Juli 2008

Writer vs. Schriftsteller

Der englische Begriff des Schriftstellers ist - meines Erachtens - viel näher an der Wahrheit und am Leben dran als der deutsche. Man ist Writer. Einfach jemand, der schreibt. Das ist alles. In Deutschland ist man gleich ein Schriftsteller. Das hört sich an, als würde oder müsste man dicke Bücher schreiben. Aber ist jemand, der dicke Bücher, ja vielleicht sogar Bestseller schreibt, mehr Schriftsteller oder mehr Writer als jemand, der nur Skizzenhaftes, kurze Eindrücke, Gedanken und Shortstories schreibt? Ist die Masse wichtig? Und wenn ja, wieviel? Siegfried Lenz zum Beispiel sagt, es sei die Art der Wahrnehmung, die einen Schriftsteller ausmache. Vielleicht ist selbst der Begriff Writer noch zu stark und begrenzend.

Journalist sein

Journalismus ist vor allem das, was man nicht tun muss. Gar nicht so selten gehört sogar das Schreiben dazu.

Sonntag, 20. Juli 2008

Der Tag ohne Nachrichten


Via Sixtus


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Danke
Vielen Dank für diese Sätze: "Es sollte eine sehr gute...
Johanna (Gast) - 2013-12-05 10:34
Gut analysiert. Nur bei...
Gut analysiert. Nur bei der politischen Ausrichtung...
7an - 2013-10-10 15:08
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Nur eine kurze Anmerkung. Journalisten denken von ihrem...
Otto Hildebrandt (Gast) - 2013-10-10 14:08

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