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Donnerstag, 19. April 2007

München

Viktualienmarkt
Handybild nachbearbeitet. Siehe auch das Bild vom Marienplatz.

Immer wieder, wenn ich in München bin, wird mir bewusst, wie mild diese Stadt doch ist. Diese entspannte, sonnige und voll Leben sprießende Stadt ist wirklich einmalig. München ist keine graue Betonmetropole. München ist nicht Schickimicki. All seine Reize trägt die Stadt so unbefangen wie ein grünes Dorf, wo alles und alle gemütlich beisammen sind.

Ich war zwei Tage wegen einer Podiumsdiskussion dort, die für mein Diplom interessant war. Doch ich möchte lieber über meine sonstigen Eindrücke schreiben.

Münchner Volkstheater - Ein Sommernachtstraum

Gestern Abend war ich im Münchner Volkstheater. Es lief Shakespeares Sommernachtstraum. Leider hat mich Theater schon oft frustriert. Vor allem in Darmstadt. Aufführungen ohne Seele und mit viel Geschrei. Kein Wunder, dass so viele junge Menschen Theater scheiße finden. Ist wie mit Wein. Da gibts auch ganz schön viel Scheiß. Schwer, was Gutes zu finden. Wirklich gut von den Vorstellungen, die ich bisher gesehen habe, war nur "Die Leiden des jungen Werthers" im Hamburger Schauspielhaus gewesen. Und jetzt eben dieser Sommernachtstraum in München. Viele junge Darsteller (siehe 1,2,3,4,5,6,7) und viel junges Publikum (ich hasse es, wenn so viele Alte im Theater sitzen). Witziges, auch selbstironisches und unverquarztes Spiel.

Jazzbar Vogler

Nach dem Theater war ich noch in der Jazzbar Vogler. Dreimal die Woche sorgt dort ein Pianist für die etwas andere Art von Hintergrundmusik - "The Art of the Piano" genannt. Leider war ich alleine dort, doch der Pianist konnte mich mit seinem Spiel gut vor allzu großer Melancholie behüten (siehe auch meine notierten Gedanken vor Ort). Hinterher habe ich mich noch mit ihm unterhalten. Matthias Heiligensetzer heißt er. Cooler Typ. Lebt vom Klavierspiel. Ich mag Menschen, die so konsequent ihre Kunst leben. Habe mir noch seine CD gekauft und er hat sie mir günstiger gegeben, weil ich sonst meinen Wein nicht mehr hätte bezahlen können. Ich habe ihm dann aber noch ein Gedicht gegeben, dass ich während seines Spiels über ihn geschrieben habe.

Gedichte

Überhaupt war der Münchentrip recht produktiv, was das Schreiben anbelangt. Auf der Hinfahrt kam mir die Inspiration zu "Fragile Klänge" - einzig dadurch, weil mich ein Kumpel auf Handy anrief und ich es nicht so mag, wenn andere mithören können. Da kam mir in den Sinn, dass es noch unangenehmer sein kann, einer Frau öffentlich seine Gefühle zu erzählen, wenn andere mithören. Mein Gedicht greift also eine Haltung auf und ist nicht auf eine konkrete Frau bezogen.

Konkret wurde es erst später auf der Heimfahrt, als ich im Zug ein süßes Mädchen entdeckte. Sie war aber noch ziemlich jung und hat mich auch mehr durch ihre Schönheit als durch ihr Wesen beeindruckt. Aber es ist ja Frühling. Und so entstand nach einer kurzen Träumerei "Die Mädchen mit goldenem Haar". Ursprünglich sollte noch ein Mann eingebaut werden, aber das hätte mir dann die Reinheit dieses Frauen-Liebesspiels zerstört. Ich wollte dem Mädel später noch für die Inspiration danken und ihr eine Abschrift geben, aber da war sie leider schon ausgestiegen.

Süddeutsche Zeitung

Bevor ich aber Heim gefahren bin, habe ich noch reichlich nicht vorhandenes Geld bei Dallmayr verprasst - so ein geiler Laden.

Danach war ich meine alten Kollegen von sueddeutsche.de besuchen. Gleich neben der Hofeinfahrt fielen mir wieder diese beiden Gedenktafeln ins Auge. Sie faszinierten mich schon damals, als ich meine Hospitanz begann. Eine zeigt den von den Nazis ermordeten Fritz Gerlich, der Chefredakteur der Vorgängerzeitung der Süddeutschen war. Er schrieb damals einmal: „Nationalsozialismus heißt: Lüge, Hass, Brudermord und grenzenlose Not.“
Die andere Tafel zeigt gewissermaßen das Manifest der heutigen SZ, wie es in der ersten Ausgabe nach dem Krieg verkündet wurde:

Das freie Wort aber überlebte:
Süddeutsche Zeitung
"Durch keine Zensur gefesselt.
Durch keinen Gewissenszwang
geknebelt."
Nr.1 vom 6. Oktober 1945
Für Freiheit, Wahrheit und Recht.

Dann bin ich rein. Krass was sich da alles getan hat. Deutlichstes Zeichen des Aufstieges: der Kicker. Und dann wurde mal eben von ungefähr 10 auf 30 Redakteure aufgestockt und die Leute von den Nachrichten sitzen jetzt ganz oben mit den Redakteuren vom Print in einem riesigen Newsdesk zusammen. Sind bestimmt 200 Quadratmeter mit 40 Schreibtischen. Dort herrscht wirklich Nachrichtenatmosphäre! Aber natürlich weiß man sich auch dort zu entspannten (siehe Getränkeautomant samt Nahansicht). Mei, ist halt München.

Jazz noir

Der Klavierspieler webt warme Töne, die sacht um die Konversationen der Gäste herum gleiten. Hölzerne Dielen und die fleckige Decke glänzen im Kerzenlicht. München noir.

Der Tempranillo ist gut, doch leider schweigsam. Oh Einsamkeit. Ich würde mich gerne in eine gemütliche, dunkle Ecke legen - außerhalb der Wahrnehmung der anderen - und würde mich beim Einschlafen an dem Glauben wärmen, hier sei ich zu Hause und die Gäste gute Bekannte. Aber ich bin allein unter Menschen und fern gleicher Geister.

Schwabing ist auch fern. Schwabing ist fort. Seit 90 Jahren tot. Wo sind die literarischen Cafés? Wo die neuen Bohème? Oh weh. Das Wort klingt fast lächerlich in unserer Zeit. Sie ist zu nüchtern und abgeklärt. Immerhin kommt jetzt der Klavierspieler von seiner Pause zurück und stimmt mit seiner Musik mein melancholisches Gemüt.

Notiert beim Wein in der Jazzbar Vogler am 18.04.07

(siehe auch die Hintergrundgeschichte)


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