Auf dem
Titelbild der aktuellen Zeit sind zwei Stücke Fleisch zu sehen, außen gebraten, innen roh. Dazu in großen roten Buchstaben: "Lasst das!" Untertext: "Seine höhere Intelligenz gibt dem Menschen nicht das Recht zum Fleischverzehr. Ein Plädoyer der Zeit-Redakteurin Iris Radisch für den Fleischverzicht. Michael Allmaier hingegen erklärt, warum er das nicht kann."
Schon der Untertext relativiert den ersten Eindruck ein wenig, leistet aber bestenfalls Schadensverminderung. Ich frage mich, was ist das für ein Journalismus, der mit erhobenem Zeigefinger daherkommt? Ich fand schon den Spiegel-Titel "Joachim Gauck, der bessere Präsident" zu wertend, aber die Zeit sprengt nun wirklich den Rahmen. Nichts gegen eine Debatte für Vegetarismus, aber wie die Zeit nun ihren Titel gestaltet hat, das ist einfach inakzeptabel, ja unjournalistisch. Oder kürzer: Lasst das!
Das Time-Magazin hat eine afghanische Frau auf das Cover gehoben, der von ihrem gewalttätigen Ehemann Nase und Ohren abgeschnitten worden sind. Der Titel lautet: "What Happens if We Leave Afghanistan"
(siehe auch Spiegel.de). Aber die USA und seine Isaf-Partner haben doch Afghanistan noch gar nicht verlassen. Was also soll die Botschaft des Titels sein? Dass die westliche Welt einen Polizeistaat mit völliger Überwachung in Afghanistan errichten muss, um solche Verbrechen zu verhindern? Oder dass alle afghanischen Männer eingesperrt werden müssen? Mich dünkt, die kriselnde Time wollte einfach nur Aufmerksamkeit erlangen.
3nach9 ist wirklich die einzige deutsche Talkshow von Format (und auch die älteste). Immer wieder faszinierend, was für verschiedene Menschen dort zusammenkommen und was für interessante Gespräche sie führen.
In der gestrigen Sendung, deren Gespräche online zu sehen sind, sprach unter anderem der Schriftsteller und Professor für kreatives Schreiben, Hanns-Josef Ortheil, über seine Stummheit in der Kindheit. Der Sänger "Der Graf" hatte ähnliche Erfahrungen gemacht. Rapper Sido sprach über die Weiterentwicklung als Künstler und den Stolz über sein MTV Unplugged.
Gegen den Wetter-Moderator Jörg Kachelmann wird ermittelt, weil seine Ex-Freundin ihn beschuldigt, sie nach einem Streit vergewaltigt zu haben.
Ganz unabhängig davon, ob Kachelmann schuldig oder unschuldig ist, so tut sich die Frage auf, wie die Medien überhaupt davon erfahren konnten. Denn wenn die Medien erst einmal von so einer Sache Wind bekommen, dann gibt es kein zurück mehr. Kachelmanns Ruf ist bereits ruiniert. Sollten die Anschuldigungen unwahr sein, wäre das ein Desaster.
Der ehemalige Moderator Andreas Türck hat erfahren, was das heißt. 2004 wurde er beschuldigt, eine Frau vergewaltigt zu haben. 2005 wurde er freigesprochen, aber seine Karriere als Fernseh-Moderator konnte er trotzdem an den Nagel hängen.
Die Berichterstattung der Medien schadet den Beschuldigten in jedem Fall - auch, wenn sich später ihre Unschuld herausstellt. Man kann aber die Medien nicht dafür verurteilen, über solche Vorwürfe zu berichten. Man kann bestenfalls die erste Zeitung, die berichtet und die Kette in Gang setzt, verurteilen.
Die Schuldigen sind also, von der Schuld der Anklagten einmal abgesehen, diejenigen, die zu allererst die Presse (in der Regel die Bild-Zeitung) informieren. Sei es aus Häme, sei es für ein Schmiergeld, wer weiß. Bisweilen sind sogar Beamte die Informanten, wie im Fall Käßmann vermutet wird. Im Fall Nadja Benaissa (No Angels) hat die Staatsanwaltschaft Darmstadt persönlich die Medien informiert. Ein unfassbarer Affront gegen den Grundsatz, dass der Angeklagte bis zu seiner Verurteilung unschuldig ist. Denn in dem Moment, in dem die Medien informiert werden, fällt der Urteils-Hammer der Öffentlichkeit. Die Schuldfrage spielt dann kaum noch keine Rolle.
Habe eben ein paar Minuten in die
Serie "Mad Men" reingeschaut. Erster Gedanke: "Was für eine coole Optik! So müssen die 60er in Amerika ausgesehen haben." Auch die gesellschaftliche Atmosphäre dieser Zeit kommt gut rüber - zum Beispiel die Geringschätzung von Frauen und wie sich sogar selber geringschätzen. Aber dann passiert nichts. Keine Story. Nur schöne Optik.
Die Washtington Post schreibt sehr treffend: "Die Handlung ist trocken, eintönig und zusammenhangslos." Schade.
Wenn Siegried Lenz auf sich aufmerksam macht, dann tut er das mit einem Buch. Das ist für Schriftsteller ja nicht mehr selbstverständlich. Doch ein Mann, der diesem Land mehr als eine Deutschstunde gegeben hat, braucht den Lärm der Literaturbetriebe nicht. Auch dafür wird er geliebt.
Tolle Seite-3-Reportage in der SZ am Samstag.
Thalia versklavt die Buchverlage.
Oder wie die SZ schreibt: "Welche Literatur in den Ladenregalen steht und beworben wird, das liegt immer seltener in der Hand der Verlage. Die Buchwelt klagt zwar stets über das Internet. Doch inzwischen ist klar, dass es zur Zerstörung einer ganzen Branche keiner neuen Medien bedarf: Große Ketten wie Thalia besorgen das auf ihre Weise."
Das Medium Magazin kürt jedes Jahr
30 Nachwuchs-Talente. Oder wie die Redaktion schreibt: "Neue Hoffnungsträger für den Journalismus". Aber braucht der Journalismus überhaupt neue Hoffnungsträger? Es klingt ein bisschen wie: Die aktuellen Journalisten bringen's nicht mehr. Es erinnert an Hoffnugsträger im Fußball, an den Aufstieg und Absturz von Sebastian Deisler
(PS: grandioses Interview dazu in der Zeit). Die Medien erschaffen solche Stars erst. Das Talent und Können bringen sie natürlich mit, aber zum Ruhm helfen die Medien. Aber müssen nun wirklich die Medien auch noch Medienschaffende hypen? Es reicht doch, wenn sich einige Medienschaffende selbst hypen.
Niedriglohn, Gesundheitssystem, Entlassungen und Generationen-Gerechtigkeit: Wie gerecht ist Deutschland? Von der Zugspitze bis nach Sylt sind die ZDF-Reporter unterwegs.
Die beste und bewegendste TV-Reportage, die ich bisher gesehen habe.
[Ansehen ...]
Jochen Martin-Gutsch hat für den "Spiegel" ein fantastisches Portrait über Boris Becker geschrieben. Ein journalistisches Glanzstück durch und durch.
Junger, alter Mann
Fragt man Becker heute nach seinem Beruf, dann sagt er Geschäftsmann. Vor allem aber ist er ein 41 Jahre altes Denkmal. Er lebt vom Ruhm und Geld vergangener Tage, und manchmal spürt man, dass ihm das bewusst ist. Dann kriecht die Furcht hervor, dass der Höhepunkt bereits vorbei sein könnte. Ein junger, alter Mann. Ein Frührentner. Ein Luxus-Arbeitsloser. [online lesen ...]