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Freitag, 6. Juni 2008

iTunes: das Ende einer Ehe

Ich mag iTunes. Ich kaufe meine gesamte Musik dort. Es ist so schnell und praktisch. Klick. 21, 22, 23. Und der Song läuft. Bis jetzt.

Bis jetzt. Jetzt sagte iTunes, ich brauche ein Update. Ich sagte, gut. iTunes sagte, vorher brauchst du Service Pack2 für Windows. Ich mag das Service Pack2 nicht. Ich habe es trotzdem installiert.

Es dauerte Stunden. Und ich habe jetzt drei Gigabyte weniger auf meinem Rechner - von fünf die ich noch hatte. iTunes lässt mich jetzt wieder Musik kaufen. Alles sieht ganz neu aus. Ich bin mir aber nicht sicher, ob auch vorher schon so viele Lieder nicht zugeordnet waren. iTunes vergisst nämlich manchmal seine Musik, vergisst einfach, wo es sie hingelegt hat. Vielleicht haben die Apple-Programmierer das so gemacht, damit das Programm menschlicher wirkt. Humaner Faktor oder so. Gibt da sicher auch einen englischen Begriff für.

Na egal. Hauptsache ich kann wieder ganz schnell und praktisch Musik kaufen. Oder? Oder?

Nein. es geht nicht mehr. Nachdem ein Lied ganz schnell und praktisch geladen wurde, muss es "bearbeitet" werden. Was es da zu bearbeiten gibt, sagt mir iTunes aber nicht, auch wenn es zwei Minuten dauert - pro Lied.

Ich mochte iTunes. Ich habe meine gesamte Musik dort gekauft. Es war so schnell und praktisch. Klick. 21, 22, 23. Und der Song lief.

Ich habe mir so gut wie nie Musik kostenlos aus dem Internet geladen. Bisher war es nicht schnell und praktisch. Und außerdem haben auch die Musiker Lohn verdient. Sogar die Label, und, ja, sogar das Marketing. Die paar Euro spielen für mich keine Rolle. Hauptsache schnell und praktisch.

Vielleicht ist es so, wie wenn man, sagen wir - stark übertrieben - im Iran wohnt und plötzlich ein neuer Präsident kommt, der alles wieder in die Steinzeit reißt. iTunes hat jetzt auch einen neuen Präsidenten - und macht mich zum Emigranten.

Warum schickst du mich fort?

Dienstag, 27. Mai 2008

Schwarze Wasser

Und dann standest du da, nackt neben mir. Unglaublich nackt. Viel nackter, als eine Frau eigentlich sein kann, und wir sprangen beide kopfüber ins schwarze Wasser.

- Auszug einer Fragment-Story, die ich zu schreiben gedenke

Sonntag, 25. Mai 2008

Kabul: Die Insel des Krieges

Kabul, (c) mknobil, flickr
Kinder in Kabul, Foto: mknobil, flickr

Jeder Mensch hat eine bestimmte Vorstellung von einer Stadt. Doch wie lebt es sich wirklich dort? Teil drei der Serie Vita Urbana.

Ein Gastbeitrag von Max Henninger

Nein. Mit den Metropolen dieser Welt kann sich Kabul nicht messen. Hier schreibt man gerade das Jahr 1387 – und dieses Jahr im islamischen Kalender passt zu der Stadt. Aber was will man auch von einer Stadt, einem Land, erwarten, das von zwanzig Jahren Krieg gezeichnet ist?

Kabul ist Staub, Hitze, Berge und Müll. Die Straßen sind Buckelpisten. Nur im Herzen der Stadt, der Shar-e nau (Neustadt), ist einem der Luxus betonierter Trottoirs gegönnt.

Kabul ist kein Wasser, kein Strom und keine Kanalisation. Manchmal stinkt es gewaltig zum Himmel. Smogcity. Im Sommer sieht man durch die gewaltige Abgaswand nicht einmal mehr die Berge, den atemberaubenden Hindukusch.

Kabul ist Militär, Konvois, Waffen. In aller Herrgottsfrüh brettern Kampfhubschrauber über die noch schlafende Stadt. Fenster zittern, vibrieren, bersten. Patrouillen rasen mit ihren gepanzerten Gefährten durch die Straßen. Man sieht keine Gesichter – nur Oakley-Sonnenbrillen, Helme und vermummte Fratzen.

Kabul ist Korruption. Nachts werden die Checkpoints zu Geldmaschinen. Polizisten sacken ein, was geht. Können sie auch, denn sie haben Kalashnikows. Und die meisten Politiker machen ja tagtäglich vor, wie es geht: Bakshish-Mentalität wohin das Auge blickt.

Kabul ist Fleisch. Schafe, Ziegen, Rinder werden auf der Straße geschlachtet. Das Blut fließt in die Abwassergräben. Mücken, Fliegen tummeln sich an diesen Plätzen. Butcherstreet: Überall hängt totes Tier. Kleine Herden von Ziegen und Schafen fressen sich durch den Müll der Stadt, bevor sie das Messer an ihrer Kehle fühlen.

Kabul ist verkrüppelt. Minenopfer, deformierte Kinder betteln auf der Straße in den Abgasen der Autos. Ohne Arme, Beine, Augen. Manchmal ohne Arme und Beine, die verdreckte Dose für das Geld mit dem Mund haltend. Oft sind die Kinder in Banden organisiert. Wer das falsche Terrain zum Betteln betritt, der spürt unmittelbar die Faust im Gesicht.

Kabul ist groß. Doppelt so groß wie Berlin ist dieser Moloch. Fast vier Millionen Menschen leben, hausen, verelenden hier. Auffanglager für Flüchtlinge, Heimatlose und Vertriebene – und doch kein Zuhause. Nomaden treiben ihre Kamele schnell durch die Stadt. Man sieht es ihnen an: Kein Platz zum Bleiben.

Kabul ist Gewalt. Schießereien, Morde, Blutrache. Tagesordnung. Schon die Kinder üben sich auf den Straßen im Kampf und erheben die Fäuste gegeneinander. Schusswunden und Blut. Improvisierte Verbände. Schock und Tod.

Kabul ist Burka. Blaue Säcke verdecken das Antlitz der Frauen. Billige Polyester-Ganzkörperschleier aus China importiert. Unverwechselbar der Geruch bei Hitze aus Schweiß und Plastik. Oft können sich vor allem die Witwen keine anderen Kleider leisten. Die Burka verdeckt das Elend – die Armut.

Kabul ist Märtyrer. Dumpfe Explosionen erschüttern die Stadt. Damit einher geht die Gewissheit, dass es wieder einen Märtyrer mehr im Himmel gibt. Was mit den Zivilisten geschieht, interessiert keine Seele.

Kabul ist Massud. Überall prangen Bilder des Warlords und ehemaligen Kommandeurs der Nordallianz. Für viele ist er ein Held. Und doch beging er wie andere Kriegsverbrechen. Bei einem Interview mit falschen Journalisten sprengten sich diese in die Luft und rissen ihn mit in den Tod. Ich traf seinen besten Freund, der bei dem Attentat in seiner Nähe stand. Sein Glasauge blickt etwas verdreht in eine andere Richtung. Seine Tränen waren echt.

Kabul ist Gastfreundschaft. Einladungen zum Tee und Essen sind an der Tagesordnung. Die Menschen freuen sich über das Interesse an ihnen und ihrem Land.

Kabul ist schön. Der Garten des Babur, Lake Karghar und andere Plätze spiegeln ein anderes Gesicht von Kabul. Entspannte Menschen genießen ihre Freizeit am See, singen und tanzen, essen und feiern. Keine Spur von Krieg und Gewalt – so könnte Afghanistan aussehen, so sollte es aussehen.

Kabul ist bunt. Vor allem bei Nacht. Aufwendige Lichtinstallationen verwandeln Taimani in Klein-Las-Vegas. Die Wedding Halls sind ausgebucht. Laute Musik durchflutet die umliegenden Straßen. Die Heirat ist ein Event. Und doch nicht immer fröhlich: Auch 14-jährige Kindsfrauen heiraten – ob sie wollen oder nicht.

Kabul ist schizophren. Nach außen gottesfürchtig, gläubig und streng. Doch hinter der Fassade speisen die Moslems bisweilen selbst im Ramadan – Alkohol und Drogen lassen sie dabei nicht außen vor.

Kabul ist eine Insel. Drei militärische Sicherheitsringe umgeben die Stadt. Reinkommen ist trotzdem nicht schwer. Ein Eiland im Kriegsgebiet. Und doch sieht es hinter den militärischen Sperrzonen, im Outback, ganz anders aus. Für die Menschen in der Provinz ist Kabul ein Sündenpfuhl. Und irgendwie haben sie nicht unrecht damit, denn: Kabul ist nicht Afghanistan.


Max Henninger arbeitet seit gut einem Jahr für den Deutschen Entwicklungsdienst in der Öffentlichkeitsarbeit in Kabul. Über seine Erlebnisse berichtet er in seinem Blog und auf flickr.

Donnerstag, 22. Mai 2008

Die wahren Couchsurfer

Es gibt Couchsurfer und Couchsurfer. Die Letzteren sollen hochleben! Sie sind es, die den Geist von Freiheit, Reisen und Gastfreundschaft verstanden haben. Ich reise, ich reise ...

Update

Neuer persönlicher Beitrag

Montag, 19. Mai 2008

Mezzogiorno

Mit Dank an Uta für die Empfehlung

Du hast mir das Meer gezeigt:
es glänzte nicht. Am Strand lagen
Fische und lehrten die Steine
was es heißt tot zu sein. Wir haben
trotzdem die Autotüren geöffnet
und dein Mund schmeckte noch immer
wie vor zweitausend Jahren.

Hans Ulrich Treichel

Montag, 12. Mai 2008

Alexanderplatz: verdurstet

Da sind diese zwei Iranerinnen. Dünne Hintern und Fliegerbrillen. Sie würden sich gut in einem Porno machen. Das teuerste Zimmer in der Stadt, ein paar Früchte, Gang Bang reverse.

Willkommen in Berlin. Alexanderplatz. Beton, Stein, alles grau. Utopia reverse. Die Sonne brennt den Putz von den Platten. Ein Mittelklasse-Mädel zwinkert. "Eine Umarmung?" Nein danke. Was bringt mir eine Umarmung? Blutiges Fleisch und ich darf nicht abbeißen. Und die Sonne brennt weiter. Dann taucht später doch noch ein Mädchen auf. Knabenfigur im Kleidchen, herzzerreißend süß. Ein Schild: "Free Hug". Ich stolpere über meine Spontanität und da ist sie auch schon weg. Ja verdammt, ich brauche diese Umarmung, auch, wenn ich dann den Platz nicht mehr lebend verlasse. Ich warte, taktiere, freie Umarmung. Nein! Man kann so ein schönes Mädchen nicht einfach so umarmen. Es wirkt ganz schnell gezwungen. Einfach so umarmen. Es soll zufällig aussehen. Unbedeutend. Aber dann kommt ihr Freund, sie umarmen sich sehr lange und gehen Händchen haltend über den Platz. Mir bleibt die Sonne.

Leipzig: Der Tod am Denkmal

Das erste was ich am Völkerschlachtdenkmal sehe, ist ein weißes Tuch. Tätowierte Unterarme, ein paar Füße. Steinboden. Zwei unglückliche Polizisten. Ja, einfach so umgefallen. Herzversagen. Meine Mitfahrgelegenheit erzählt später, im Radio sagte man, die Frau des Mannes sei am selben Tag tot in der Wohnung gefunden worden.

Die nordischen Totenwachen schweigen. Sie kommen direkt aus Walhalla, Riesen mit verschränkten Armen, ein Kranz, an den Wänden große Götter aus Stein. Kinder saugen an nackten Brüsten. Odinsche Grimmigkeit. Aber warum? Im Krieg kämpfen doch nur Kinder mit langen Gliedern. Und ihr junges Blut füllt die Gräben.

Sonntag, 11. Mai 2008

Goethes Garten

Da sitze ich in Goethes Garten und überall diese Schmetterlinge. Sie waren schon im Haus. Nichtsahnend und sorglos schreite ich durch die privaten Gemächer des toten Dichterfürsten und atme die Luft vergangener Tage, da wirbelt eine Armada kleiner Falter durch die Flure. Eine italienische Mädchenklasse. Nein eine tschechische. Rote Falter, schwarze Falter, sie flattern vor mir und hinter mir und überhaupt überall. Sie streifen fast meine Arme, fast meinen Hals, fast meinen Mund. Es riecht nicht mehr nach Staub, es riecht nach milchiger Haut und karmesinrotem Haar. Das Sonnenlicht bricht durch die Büsche, schmale Hüften wippen von links nach rechts - ich bin nur noch ein leidendes Bündel, viel zu weit weg von den Frühlingsgeschöpfen. Doch man kommt nicht hinein. Sie fliegen so eng beisammen. Ich zerfließe auf meiner weißen Gartenbank und dann ist der Spuck endlich vorbei. Warum, alter Mann, lässt du mich in deinem Garten leiden?

Dienstag, 6. Mai 2008

Weimar - ein Horror in Pastell

Bin seit gestern auf meinem zweiwöchigen Deutschland-Trip und soeben in der WG von Rob (links auf dem Bild) erwacht - meinem Couchsurf-Gastgeber.

Weimar hat mich zuerst einmal irritiert. Die ganze verdammte Stadt ist pastellfarben. Kein Haus, das nicht farbig ist. Dazu viel Kopfsteinpflaster, altehrwürdige große Bauten, viel Raum, viel Himmel. Aber es ist alles einen Tick zu niedlich, einen Tick zu aufgeräumt, einen Tick zu ruhig - und vor allem zu bunt.

Weimar ist die erste Stadt, in der ich mich nach Berlin gesehnt habe, und das "böse und barbarische" Berlin ist angeblich der "einzige Ort in Deutschland, wo man sich manchmal nach Sibirien sehnt". Wäre ich gemein und würde ich übertreiben, würde ich sagen, ich verstehe sogar, warum die Jugend in solchen restaurierten ostdeutschen Städten radikaler als anderswo ist: Man muss einfach ein Gegengewicht zu dieser cremefarbenen Bürgerlichkeit bilden. Nun gut, bisher habe ich nur ein paar Alternative gesehen.

Werde mir nachher die Anna-Amalia-Bibliothek und das Goethe- sowie das Schiller-Haus ansehen. Ich glaube, es gibt in dieser Stadt, keinen Stein, über den man nicht ein Geschichtsbuch schreiben könnte.

Nachtrag: Nein, in Weimar kann es aushalten. Dorfidylle. So lieblich wie in einem Sommerfilm. Und dann dieser Park. Ein süßes Labyrinth ewigen Grüns. Man möchte dort verloren gehen. Eine Stadt, die man in 15 Minuten durchschreiten kann. Karamelleis mit Sahne und Thüringer Rostbratwurst. Jeden Tag neue Schulklassen in dem viereinhalb-Straßen-Zentrum. Diese Stadt ist surreal wie ein Film in Technicolor.

Montag, 5. Mai 2008

Update

Neuer persönlicher Beitrag online

Samstag, 3. Mai 2008

Schreiben und Caipirinha

Ah. Neue Story geschrieben und jetzt schön Caipi trinken und grillen. Herrlich.

Hier schon mal eine Leseprobe meiner Story. Bald auch in ganzer Länge - und die Story von neulich (Die Nacht in mir) bin ich euch ja auch noch schuldig.

Ich weiß immer noch nicht, warum ich ja gesagt habe, aber jetzt bin ich auf dem Weg. Ich schreite die Straße hinunter, sie ist leer und die Dunkelheit lässt die Wege jungfräulich erscheinen, als hätte sie noch kein Mensch beschritten und als wollte sie auch niemand beschreiten. Ich bleibe stehen und betrachte das trübe Licht der Straßenlaterne wie einen Mond. Es ist mein Mond, ein Mond für Menschen, bei denen es für einen echten nicht gereicht hat. Ich schließe die Augen und glaube, das Summen der Drähte unter der Plastikschale zu hören. Die Spannung vibriert in ihnen. Selbst dieser künstliche Mond hat mehr, als ich je haben werde. Warum habe ich ja gesagt?
Du sitzt neben mir in meinem Opel Kadett und ich frage, willst du mal riechen? Du willst und berührst mit deinen Lippen fast meinen Hals. Ich nutze es aus. Damals, es muss zehn Jahre her sein, damals habe ich ja gesagt. Ich weiß nicht, ob das gut oder schlecht war, aber ich konnte gar nichts anderes sagen.

Du hast mir geschrieben. Du bist in Deutschland. Ich solle dich besuchen kommen. Ich sagte ja. Doch mit jedem Schritt, den ich mache, wird mir das Gewicht dieser Entscheidung bewusst. Was soll ich dir geben?


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Danke
Vielen Dank für diese Sätze: "Es sollte eine sehr gute...
Johanna (Gast) - 2013-12-05 10:34
Gut analysiert. Nur bei...
Gut analysiert. Nur bei der politischen Ausrichtung...
7an - 2013-10-10 15:08
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Nur eine kurze Anmerkung. Journalisten denken von ihrem...
Otto Hildebrandt (Gast) - 2013-10-10 14:08

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