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meinung

Freitag, 17. Februar 2012

Opfer in Causa Wulff ist nicht die Presse

Der Deutsche Journalisten-Verband hat sich gegen den Vorwurf zur Wehr gesetzt, die Journalisten hätten den am heutigen Freitag zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff mit ihrer Berichterstattung verletzt. "Es ist die Pflicht der Journalistinnen und Journalisten, über politische Affären und Skandale kritisch zu berichten", sagt DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken.

Das stimmt natürlich, aber Konken blendet damit auch die medialen Auswüchse aus, die es im Fall Wulff gegeben hat. Er hätte nur einmal einen Blick in die Titelgeschichte des aktuellen DJV-Magazins "journalist" werfen müssen, um zu sehen, was gemeint ist. Das Magazin zeichnet übrigens aus, dass es eine komplett andere - nämlich differenzierte - Haltung als Konken in seiner Kolumne eingenommen hat.

Das soll nicht heißen, dass die Auswüchse der Presse Wulff (zu unrecht) aus dem Amt gejagt haben. Er hat berechtiger wie unberechtiger, angemessener wie übertriebener Kritik standgehalten, erst die Staatsanwaltschaft hat ihn verjagt. Konken schreibt in der "journalist"-Kolumne, Wulff habe einen "unverzeihlichen Fehler begangen", als er versuchte, einen Artikel bei Springer aufzuhalten. Für Konken ist also dieser Versuch Wulffs ein größerer Fehler als Wulffs Taten, gegen welche die Staatsanwaltschaft ermitteln möchte. Das ist selbstbezogen. Die Presse ist in der Causa Wulff nicht das Opfer, das Opfer ist die Republik, die unter der Affaire eines in mancherlei Hinsicht unsensiblen Präsidenten gelitten hat. Und das Opfer ist das Amt des Bundespräsidenten, das durch einen erneuten - wenn dieses Mal auch gerechtfertigten - Rücktritt weiteren Schaden genommen hat.

Mittwoch, 7. September 2011

Midnight in Paris

Midnight in Paris ist ein wundervoller, selig machender Film - zumindest für Menschen mit einem Hauch Nostalgie. Ich selbst hatte Zweifel, bis ich den Film vorhin gesehen habe, aber diese Zweifel rührten vermutlich von dem Trailer, der so gut wie nichts von dem Kern des Films zeigt, sondern nur, wie wenig Lust der schriftstellernde Gil (Owen Wilson) auf die Aktivitäten seiner Verlobten, ihres Pseudo-Intellektuellen Bekannten und ihrer konservativen Eltern hat. Gil hingegen ist von seinen nächtlichen Trips angetan - die ihn ins Paris der 20er Jahre führen. Kein Traum, wie Regisseur Woody Allein zeigt, eher ein Märchen.

Gil trifft die ganze Künstler- und Literaten-Bagage des damaligen Paris: Hemingway, Dalí, Fitzgerald und viele mehr. Jeder, der nur einen Funken Sympathie für diese Gestalten hat, wird begeistert sein. Vielleicht ist Hemingway ein ganz klein bisschen zu klischeehaft geraten - oder war Hemingway nicht gerade so? Mich hat der Film jedenfalls überzeugt, er ist eine hinreißende Hommage an eine verlorene Epoche.

Zweifler wie Georg Diez schrieben im SPIEGEL der Film sei voller Klischees. Ulrich Greiner ist in der ZEIT schon weiter: "Nur der mittelmäßig begabte Künstler meidet das Klischee", schreibt er. "Der blutige Anfänger stürzt sich hinein und wird, weil er es nicht bemerkt, sein komisches Opfer. Der geniale Könner hingegen spielt mit dem Klischee." Diez bemängelt, man sehe keine schicksalslosen Migranten im heutigen Paris. Ich frage mich, ob er auch in tristen Banlieu-Filmen bemängelt, wenn man keine schönen Boulevards sieht. Diez schreibt, Allen benutze nur Abziehbilder, Klischees, aber gerade das ist das Hauptmotiv des Films - unser Denken in Klischees, und dass die alten Zeiten natürlich nicht so prachtvoll waren, wie wir glauben. Im Film wird das deutlich, wenn sich die Charaktere im Paris der 20er Jahre ins Belle Epoque am Ende des 19. Jahrhunderts wünschen, als die Welt noch nicht so turbulent gewesen sei.

Am Ende löst Allen alles ganz wundervoll auf. Was bleibt, ist die Erfahrung zumindest einmal auf der Leinwand gesehen zu haben, wie es wäre, ins Paris der 20er einzutauchen, einmal mit all den Legenden eine große Sause zu machen.

Wenn der Film schon vorbei ist, dauert es lange, bis man wieder in der Gegenwart angekommen ist. Selbst Berliner Hauptstraßen haben dann noch für etliche Minuten etwas Nostalgisches. Es gibt nicht viele Filme, die solch einen nachhaltigen Zauber besitzen.

Samstag, 19. März 2011

Libyen: Scham für die deutsche Feigheit

Karl Grobe, Redakteur a. D. der Frankfurter Rundschau, schreibt in einem Leitartikel: "Der Beschluss, sich nicht am Krieg [in Libyen] zu beteiligen, ist und bleibt richtig. [...] Da schwingt die Einsicht mit, was der nun zehnjährige Krieg in Afghanistan bewirkt hat."

In Afghanistan sind allerdings die USA eingefallen, weil sie sauer auf die Taliban waren, auf Gaddafi ist der Westen nicht sauer, er ist empört über ihn. Die Afghanen haben auch nicht selber versucht, ihr Land zu befreien. Und wer sagt, dass nach einer deutschen Beteiligung in Libyen die Bundeswehr zehn Jahre dort stationiert sein müsste? Das eine muss eben nicht zum anderen führen. Das denken nur Menschen ohne Rückgrat. Und wo ist der Vergleich? Gibt es Taliban in Libyen? Der Einsatz ähnelt wohl eher dem Kosovo-Einsatz.

Die schwarz-gelbe deutsche Regierung geht mal wieder den butterweichen Weg, bloß keinen Ärger einhandeln. Wieso glaube ich, dass selbst eine grüne Regierung anders entschieden hätte? Die Weltgemeinschaft kann froh sein, dass Sarkozy Haltung hat. Man kann viel an ihm kritisieren, aber in diesen Tagen, steht er für die einstige Größe Frankreichs. Deutschland hingegen wird zum Spott seiner selbst und der Werte, die es so hochhält. Ich schäme mich für meine Regierung.

Nachtrag: 17.10 Uhr: Frankreich verteidigt mit Kampfjets die Stadt, viele andere Länder wollen auch helfen. Deutschland schaut zu. Vielleicht besser so, sonst lässt ein deutscher Oberst am Ende wieder Bomben auf Tanklastzüge und 100 Zivilisten fallen.

Mittwoch, 16. März 2011

Wir arme 30-Jährige

Zufällig gerade über die Videoreihe von Spiegel Online gestolpert: "Die 30-Jährigen - eine Generation auf der Suche". So langsam reicht es mir mit diesen Beiträgen über die armen, armen 30-Jährigen meiner Generation, die wir behütet aufgewachsen sind, das Studium finanziert bekommen haben, uns entfalten und entwickeln konnten wie wir wollten - es aber eigentlich ungeheuer schwer haben. Und dann noch diese böse beschleunigte Welt mit all den verwirrenden Möglichkeiten des digitalen Zeitalters, dazu die Globalisierung, die uns Fabrikarbeitern im Geiste die Jobs wegnimmt. Es ist schon schwer, wenn man sich entscheiden muss, ob man Nachwuchs haben oder lieber erst noch eine Indienreise machen möchte. Ja, wir sind schon eine besonders gepeinigte Generation.

Dienstag, 15. März 2011

AKW-Populismus

Sieben deutsche Atomkraftwerke werden vorübergehend abgeschaltet. Was für politischer Populismus. Etwas sinnloseres habe ich noch nicht gehört. Auf einmal sind die AKWs nicht mehr sicher, oder wie? Wenn schon dann bitte, insofern versorgungstechnisch möglich, komlett und dauerhaft vom Netz nehmen, wie es mit Biblis A geschieht.

Dienstag, 8. März 2011

Betahaus Berlin: Alles andere als selbstbestimmtes Arbeiten

Im aktuellen "journalist" gibt es einen Text von Mathias Rittgerott über Co-Working-Spaces wie das Betahaus in Berlin, in dem man sich für einzelne Tage oder dauerhaft einen Schreibtisch mieten kann.

Jetzt lese ich aber: Um 18 Uhr wird das Betahaus dichtgemacht. Dann kommt nur noch rein, wer einen festen Tisch gebuch hat. Wie dämlich ist das denn? Bei der freiesten Form von Büro kann nicht mal jeder kommen und gehen, wie er will?

Zwölf Euro pro Tag oder 230 Euro pro Monat sind zudem ein ordentlicher Happen. In Berlin bekommt man auch für die Hälfte einen Büroplatz. Am Ende des Artikels sagt ein Betahaus-Nutzer, wenn er nach 19 Uhr noch weiterarbeiten möchte, gehe er in die Bibliothek: "Dort lenkt mich nichts ab, weil es kein Internet gibt und man nicht ständig private Mails liest."

Wie mir scheint, fahre ich mit der Bibliothek vor meiner Haustür, in die ich zum Schreiben gehe, gar nicht schlecht. Ins Internet kann ich mich bei Bedarf via UMTS-Stick einloggen und Telefoninterviews mache ich zu Hause. Im Betahaus muss man für längere Gespräche in einen extra Raum gehen. Festnetzanschlüsse gibt es nicht, wie ich das verstanden habe. Eine ehemalige Betahausbewohnerin sagt in dem Artikel: "Für längere Telefoninterviews ist es jedoch zu unruhig, die führt man besser daheim." Dort fühlt man sich auch nicht wie im Zoo: Zwei mal wöchentlich werden Besuchergruppen mit Neuinteressenten durch das Betahaus geführt.

Montag, 4. Oktober 2010

BVG erlaubt antisemitische Schrift

65 Jahre nach dem Holocaust gibt das Bundesverfassungsgericht einem umstrittenen Professor recht und erlaubt, dass wieder geschrieben werden dürfe, die Juden seien selbst Schuld an ihrer Verfolgung gewesen.

Absolut unverständlich, wie das BVG, das sonst zumeist sehr weise Urteile fällt, so entscheiden konnte. Heribert Prantl schreibt in der SZ: "Die drei Bundesverfassungsrichter, die diese Entscheidung gefällt haben, bedürfen der politischen Bildung."

Siehe auch Zeit.de mit Hintergründen über den umstrittenen Prof. em. Konrad Löw.

Dienstag, 17. August 2010

Unverstellt und sympathisch: Seiberts erster Tag

Steffen Seibert ist nun offiziell als neuer Regierungssprecher im Amt. Sympathisch, dass er so offen mit seiner Nervosität umgeht, ja überhaupt welche hat als 50-jähriger TV-Anchorman. Irgendwie beruhigend. Siehe auch das Reuters-Video.

Dienstag, 15. Dezember 2009

Schadenfreude über Berlusconi-Angriff

Der italienische Premier Silvio Berlusconi wurde am Sonntagabend nach einer Veranstaltung seiner Partei, Popolo della Libertà, auf dem Mailänder Domplatz von einem psyisch kranken Mann angegriffen. Er schleuderte ihm eine Miniatur des Doms ins Gesicht. Die Oberlippe des 73-Jährigen Premiers wurde gespalten, zwei Zähne sind gesplittert und die Nasenscheidewand ist gerissen.

Wenn ein Regierungschef angegriffen wird, ruft das in der Regel Bestürzung hevor. In Italien scheinen sich große Teile der Bevölkerung über die Tat zu freuen. Alleine eine einzige Facebook-Gruppe namens "Statuetta in miniatura del Duomo di Milano" wuchs in weniger als 48 Stunden auf bereits mehr als 18.000 Mitglieder an.

Man kann das so verstehen, dass die akademische Jugend in Italien weitgehend über Berlusconis Politik und seine Skandale empört ist. Dass sie sich machlos fühlt. Man kann das als äußerst schlechtes Zeichen für den Premier sehen. Man kann die offene Schadenfreude über den Gewaltakt aber auch als Verachtung und Geringschätzung für das Amt des Premiers sehen - und damit für die Demokratie in Italien.

Donnerstag, 1. Oktober 2009

Fall Westerwelle: Politiker müssen nicht perfekt englisch sprechen

Westerwelle wird belächelt, weil sein englisch nicht perfekt ist. Die SZ verweist heute in einer Meldung auf zwei YouTube-Videos. So hat auf einer Pressekonferenz ein Journalist der BBC Westerwelle eine Frage auf englisch gestellt und bat auch um eine Antwort auf englisch. Westerwelle ging, wie ich finde zurecht, nicht darauf ein. "Wir sind in Deutschland hier", sagte er. Wieso spricht ein Berlin-Korrespondent der BBC, der er vermutlich war, kein deutsch?

Ein anderer Clip zeigt wieder eine Pressekonferenz, auf der er eine Frage auf englisch beantwortet. Er schafft es, muss aber lange nach Worten suchen.

Aber mal ehrlich: Warum muss ein Politiker in Deutschland fragen auf englisch beantworten, ja überhaupt verstehen? Wer bitte schön versteht deutsch in England oder den Staaten? Sicher, englisch ist Weltsprache, aber von einem Politiker erwarte ich, dass er kompetent in politischen Dingen ist, nicht, dass er mehrere Sprachen fließend spricht. Und ist es nicht auch verdammt schön, dass in diesen Zeiten, in denen panische Bildungsbüger-Eltern ihre Kinder schon mit ein, zwei Jahren englisch, russisch und chinesisch beibringen, selbst der Außenminister kein Englisch-Genie ist? Man kann es noch in die höchsten Staatsämter schaffen, auch, wenn man sich nicht dem globalen Bildungsdiktat unterworfen hat, manche würden sagen, obwohl man Schwächen hat. Ich hoffe, dass das noch lange so bleibt.


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Danke
Vielen Dank für diese Sätze: "Es sollte eine sehr gute...
Johanna (Gast) - 2013-12-05 10:34
Gut analysiert. Nur bei...
Gut analysiert. Nur bei der politischen Ausrichtung...
7an - 2013-10-10 15:08
Kein Interesse
Nur eine kurze Anmerkung. Journalisten denken von ihrem...
Otto Hildebrandt (Gast) - 2013-10-10 14:08

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