Ich war schon lange nicht mehr auf einen Samstag Abend aus gewesen. Letztlich tat ich es auch immer nur in der vagen Hoffnung, ein paar außergewöhnliche Augen zu finden. Normale Augen interessierten mich nie. Doch das wusste ich damals noch nicht.
Vorhin überlegte ich trotz allem hinaus zu fahren. Dann flackerten die Erinnerungen aus hunderten Nächten hervor. Einsame Nächte in überfüllten Diskotheken.
Einfach in den Zug setzen und nach Paris fahren. Achteinhalb Stunden mit verschiedenen Menschen unterhalten, Landschaften beobachten und Lektüre lesen. Irgendwann am frühen Nachmittag ankommen und das Herz Frankreichs erkunden. Cafés mit knirschenden dunklen Dielen,
Shakespeare & Company, der wohl zauberhaftestete Bücherladen der Welt,
Heinrich Heines Blick, Kaffee und Croissant
an Seine, bei Sonnenuntergang mit jemandem eine Flasche Rotwein teilen, sich einfach treiben lassen. Nur eine Idee?
Was nützt der ganze virtuelle Kram eigentlich? Ist es nicht nur Show? Bereichert er den Alltag wirklich, oder nimmt man nicht immer weniger die Mühe in Kauf raus zu gehen? Weil ja im Netz alles "spannender und netter" ist. Otherland lässt grüßen. Vorurteil, wird aufgeschrien. Es sei nur eine Sache der Mäßigkeit. Doch wie viele halten Maß? Wo ist die Grenze? Ist es paradox, dass ich die Fragen in einem Blog stelle? Der Alltag darf nicht im Netz stattfinden, klar. Sicher, man hat Freunde, reale Aktivitäten, doch wie viele Jugendliche und junge Menschen verbingen ihre Nachmittage, den Abend und ganze freie Tage vor dem Rechner? Ich gehöre ja selbst dazu.
Viele meiner Kollegen sind aus fremden Städten des Jobs wegen nach Berlin gezogen. Zwischen neun und zehn Uhr morgens schlurfen sie aus Friedrichshain, Kreuzberg, Prenzlauer Berg oder Mitte hier her, sind dann zehn Stunden kreativ und gehen zwischen sieben und acht abends wieder nach hause. Und weil die alten Freunde immer noch in Münster, München, Frankfurt, Magdeburg oder Köln wohnen, ist der Tag nach zwei, drei alkoholischen Getränken und ´ner Bestellpizza vor der Glotze meistens gelaufen. - Aus: Markus Kavkas Zünder-Kolumne
Klingt nicht so wirklich doll, oder?
Jeder Tag ist recht angenehm und entspannt. Im Gegensatz zu früher, geh ich früh pennen, unternehme am Wochende tendenziell nichts. Es langweilt mich einfach. Ansonsten Sport, abends nen Bier trinken, selten mal in ne Bar. Alles schön ... und auf einmal bin ich 20 Jahre älter.
Shaggy und Nelly Furtado präsentieren Stolz ihren Dialog aus dem Handbuch für angehende Erstklässler. Der Ende letzten Jahrhunderts noch annähernd populäre Künstler massiert dabei kontinuierlich sein Gemächt.
Hatte wohl immer noch keine abbekommen. Preisgewinner gähnen dem Publikum ihre Sprachlosigkeit vor, und selbst die Punk-Rocker von Greenday haben sicher schon mal beim morgendlichen Stuhlgang mehr Elan gezeigt. Die MTV Europe Music Awards sind genauso lebendig wie das römische Reich anno 2005. Tut das alles Not?