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Falscher Feind

Die Verlage kämpfen gegen Google – weil sie ihre eigene Rolle im Internet noch nicht gefunden haben.

VON JAN SÖFJER

Die deutschen Verleger haben Angst. Angst vor dem Diebstahl ihrer teuer produzierten Inhalte, Angst vor dem Internet und besonders vor Google. Hubert Burda fürchtet gar die „schleichende Enteignung“ aller Journalisten und Verleger. Man könnte meinen, die Presse stehe kurz vor dem Abgrund. Was ist passiert?

In den Augen der Verleger bedient sich Google ungeniert bei den Inhalten ihrer Zeitungen und Zeitschriften, ohne auch nur einen Cent dafür zu bezahlen. Der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), Helmut Heinen, der auch an der Berliner Zeitung beteiligt ist, sagt: „Wir werden das nicht länger hinnehmen.“ Die Gegenwehr kommt vom Europäischen Verlegerrat und heißt „Hamburger Erklärung“. Alleine 148 deutsche Medienhäuser haben unterschrieben. Darunter Gruner + Jahr, Holtzbrinck, die WAZ-Gruppe, Springer und DuMont Schauberg, Verleger auch dieser Zeitung. Sie alle fordern „eine faire Beteiligung an den Umsätzen derjenigen, die unsere Inhalte vermarkten“. Michael Konken, Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), fordert gar eine „konzertierte Aktion“ von Verlegern und Politikern gegen Google. Im Kampf gegen die Suchmaschine stehen Verlage und Gewerkschafter ausnahmsweise auf der selben Seite.

Google-Manager Josh Cohen versteht die Aufregung nicht. „Die Medienmacher haben es selber in der Hand, welche Inhalte sie kostenlos ins Netz stellen“, sagt er. Jeder Website-Betreiber kann zudem mit einem kleinen Programmier-Befehl Suchmaschinen verbieten, die eigenen Inhalte zu indizieren. Die Kritik an Google ist nicht neu. Doch dass gerade jetzt der Streit so hart geführt wird, hängt auch mit der Anzeigenkrise zusammen, die weltweit die Presse in Panik versetzt. Anspruchsvoller Journalismus ist immer schwerer zu bezahlen. Daran Schuld soll unter anderem Google sein. Mit nur einem Klick liefern diese und andere Suchmaschinen das Wissen der Welt, inklusive Presse-Artikel, und verdienen damit Geld, viel Geld. Viel mehr als die Verlags-Angebote im Internet erwirtschaften, wie Hubert Burda jüngst klagte.

Besonders in der Kritik steht Google News, eine Website, die mit Hilfe eines Algorithmus und ohne Redakteure die wichtigsten Nachrichten präsentiert – in über 20 Sprachen und 65 Ländern und Regionen der Welt. Auf der US-Version wird auch Werbung geschaltet. Google übernimmt aber keine ganzen Artikel, sondern kopiert die ersten Sätze eines Beitrags und verlinkt auf die Ursprungs-Website. Nach eigenen Angaben vermittelt Google so mehr als eine Milliarde Zugriffe im Monat an Nachrichtenseiten. Manche Portale generieren dank Google-News und der Google-Suche mehr als die Hälfte ihrer Nutzer und entsprechend Werbeeinnahmen. Das Unternehmen findet, die Verlage müssten dafür eigentlich dankbar sein.

„Das Geschäftsmodell des privatkommerziellen Journalismus
erweist sich als nicht mehr zukunftsfähig.“ - Klaus Meier


Hans-Joachim Fuhrmann, dem Multimedia-Verantwortlichen beim BDZV, reicht das nicht: „Wir verlangen mehr von dem Megaunternehmen, das mit unseren Inhalten und mit unseren starken Marken reicher und reicher wird. Google übernimmt Inhalte der Zeitungswebsites in Teilen und setzt darauf ein Geschäftsmodell. Dazu kommen die mehr als bedenkliche Monopolstellung und die undurchsichtigen Techniken, wer wie schnell bei Google gefunden wird. Hier ist die Politik gefordert.“ Mathias Döpfner, Vorstandschef der Axel Springer AG, plädiert für eine Leistungsschutzabgabe für das Zitieren und Verlinken von Artikeln, eine Art Gema für Zeitungsinhalte. „Kommunismus für Entrepreneure“ nennt der Handelsblatt-Redakteur und Medienblogger Thomas Knüwer solche Bestrebungen und sagt, das sei so, als ob Opel kein Staatsgeld haben wolle, sondern welches von VW.

Was würde Döpfners Idee in voller Konsequenz bedeuten? Müsste dann jeder Blogger, Privatnutzer und Journalist bezahlen, wenn er einen Link zu einer journalistischen Website setzt oder gar einen Artikel zitiert? Nein, schrieb DJVChef Konken am Dienstag in der FAZ. Der freie Meinungsaustausch müsse Vorrang haben. Ein automatisierter und mit einem kommerziellen Geschäftsmodell versehener Dienst wie Google-News überschreite aber eine Grenze, so Konken.

Die Debatte zeigt die Unsicherheit der Branche, wie sie der digitalen Zukunft begegnen soll. Der Strukturwandel, verschärft durch die Wirtschaftskrise, schürt Existenzangst. In den USA sind schon einige Zeitungen verschwunden, und auch in Deutschland wurden Magazine wie Galore oder SZ-Wissen eingestellt. Hubert Burda schrieb in der FAZ: „Es geht um die Bewahrung eines Kulturguts.“ Doch worin besteht dieses Gut?

„Nicht die Zeitungen sind wichtig für die Demokratie, der Journalismus ist es. Leider wollen einige Leute nur ihre Besitzstände verteidigen“, meint Jeff Jarvis. Der New Yorker Professor für interaktiven Journalismus gilt als einer der radikalsten Prediger des medialen Strukturwandels. Klaus Meier, Professor für crossmedialen Journalismus, konstatiert nüchterner: „Das Geschäftsmodell des privat-kommerziellen Journalismus, das im 19. Jahrhundert erfunden wurde, erweist sich als nicht mehr zukunftsfähig.“ Allerdings sei auch die Banneranzeige im Web in Kombination mit Klickzahl-Messung nicht tragfähig. Was aber könnte an ihre Stelle treten? Jarvis warnt: Zeitungen, die sich dem Internet nur halbherzig oder gar nicht stellten, gingen unter. Seine Empfehlung an sie: „Macht, was ihr am besten könnt. Schafft einzigartige Inhalte, anstatt Ressourcen an die Verbreitung allgemein zugänglicher Nachrichten zu verschwenden.“

Wenn Leser überhaupt bereit sind, für Inhalte zu bezahlen, dann nur für hochwertige. Im Netz wird Qualität allerdings oft mit Multimedia und Billig-Content verwechselt. Für Wackelfilmchen und Fotostrecken wird aber niemand zahlen. Leider lassen sich selbst Zeitungen von der weit verbreiteten Oberflächlichkeit des deutschen Internet-Journalismus anstecken und glauben, so attraktiver zu werden. Jarvis sagt, Zeitungen und ihre Websites sollen sich öffnen und mehr als Dachmarke fungieren. Als Beispiel dafür nennt er die Website Glam.com, an der auch der Burda-Verlag beteiligt ist. Das Angebot für Frauen kooperiert mit über 500 Partnerseiten – auch bei den Anzeigenerlösen. Es gehe darum, Wege zu finden, neue Gruppen von Anzeigenkunden anzusprechen, so Jarvis.

Den perfekten Weg kennt noch niemand. Die Herausforderung Google ist nur eine, der sich die Verleger stellen müssen. So sagt DJVChef Konken, die Verleger sollten, bevor sie Google für die Nutzung ihrer Online-Inhalte kritisieren, erst einmal die eigenen Autoren für die zusätzliche Veröffentlichung ihrer Artikel im Internet bezahlen. An dieser Stelle hört die Gemeinsamkeit in Sachen Internet zwischen Verlagen und Gewerkschaften ziemlich schnell auf.


Erschienen am 6 . August 2009 auf der Medienseite der Berliner Zeitung.

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