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Indiana Jones in Rom

Browns „Da Vinci Code“ abseits von revolutionären Gedanken

Von Jan Söfjer

Natürlich wissen wir, dass Hollywood-Filme oft so sehr gehypt werden, dass sie den Erwartungen nicht mehr gerecht werden können. „Da Vinci Code“, die Verfilmung von Dan Browns Bestseller, war wieder so ein Beispiel. Die Werbeartillerie schoss diesmal volle Breitseiten. Dann kamen die Journalisten. Boulevard-Granaten, Lokalschreiber mit Jagdgewehren, Edelfedern mit britischem Gentlemenkaliber. Der Medienäther war voll. Zu voll für eine handelsübliche Romanverfilmung.

Ron Howard führte Regie und lenkte seine renommierte Star-Riege. Tom Hanks, Audrey Tautou, Jean Reno und Ian McKellen, um nur ein paar zu nennen. Sie alle erschufen einen Film, von dem mancher eine genau so große Hysterie erwartete, wie sie der Roman verursachte. Als der Vatikan damals Browns Werk angriff, entblößte er sich damit gewissermaßen selbst und übersah, dass die angeblich auf Fakten basierende Geschichte unhaltbar war. Immerhin lernte man in Rom und spielte das Spiel bei der Verfilmung nicht mehr mit. Nur wirkliche Verschwörungstheoretiker erwarteten mehr als einen netten Gute-Nacht-Film.

Daher verwundern die schlechten Kritiken ein wenig. Was hat man erhofft? Ron Howard leistete einen guten Job. Doch schon seine früheren Arbeiten, wie „A Beautiful Mind“ und „Apollo 13“ verweisen eher auf einen ruhigen, ausholenden Erzähler; auf einen Erzähler, der Tiefgang ins digitale Zelluloid zaubert.
Bei der Umsetzung von Browns Buch blieb Howard keine Zeit, um tief Luft zu holen. Die Befehle kamen hart: 600 Seiten Roman in gut zwei Stunden Film transferieren, und zwar zackig. Dass den Charakteren und der Story der Atem knapp werden würde, war vorherzusehen.

Der Spiegel monierte die Tage, die Übersetzer der deutschen Untertitel für die englisch-französische Fassung hätten den englischen Begriff „treasure hunt“ (Schatzsuche) mit „Schnitzeljagd“ übersetzt. Das greife das Problem am Schopf.
Das vermeintliche Manko ist hingegen die einzige Stärke des Films. Wo so viel Story in ein paar bewegte Bilder gepresst werden muss, bleibt kaum eine andere Wahl, als von Drehort zu Drehort zu springen, um wenigstens dadurch etwas Spannung zu entfalten. Das funktioniert dann sogar überraschend gut. Die 148 Minuten vergehen wirklich rasch. Es wird nie langweilig. Von dem Punkt an, wo Tom Hanks alias Robert Langdon, dem Harvard-Symbologen, von der Polizei in den Louvre gebeten wird, fährt der Zug los. Der Museumsdirektor wurde ermordet. Mit letzten Kräften hat er sich noch ein Pentagramm in die Brust geschnitten. Ein Hinweis auf seinen Mörder. Richtig Kohlen schippt Sophie Neveu (Audrey Tautou) in den Lok-Ofen, indem sie Langdon offenbart, der Kapitän der Polizei, Bezu Fache (Jean Reno), halte ihn für den Mörder. Fache gedenke ihn fest zu setzen. Das Geheimnis, für das der Direktor sterben musste, geriete in die falschen Hände. Es geht um nicht weniger als um die Macht der katholischen Kirche auf Erden, um den heiligen Gral. Keine Zeit zu verlieren also. Mit erahnter Indiana-Jones-Hintergrundmusik beginnt die Flucht und Schnitzeljagd in 2000 Jahre alter Kirchengeschichte. Der Dreh an Originalschauplätzen wie der Londoner Temple Church, die rasanten Kamerafahrten und das kauzige Charakterspiel des ehrwürdigen Shakespeare-Mimen Ian McKellen - in seiner Rolle als erhabener Privat-Gelehrter - sorgen letztlich für einen durchweg soliden Kinoabend. Und mit dieser Erwartung gibt es auch keine Enttäuschung.
Matthias Gerhards - 2006-06-12 07:14

Schön journalistisch! Den Film werde ich mir aber warscheinlich trotzdem anschauen, denn gut gemachte Trivialität finde ich immer äußerst entspannend.
kafkaesk - 2006-06-12 10:55

den film werde ich mir sicher nicht ansehen, schon das buch war eine beleidung für meinen intellekt.
chuck - 2006-06-13 11:51

Popcornwelterklärungskino ohne Realitätsbezug, das dankbare Themen wie Verschwörungstheorien nutzt und mit klassischen, überverwendeten Szenen unterlegt. Wer einen wirklich schlechten Film erwartet wird nicht enttäuscht. Mit dieser Einstellung könnte ein Kinobesuch lohnen. Wer dagegen ernsthaftes Kino erwartet, macht besser einen großen Bogen um diesen weiteren Hollywoodoutput.

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Gut analysiert. Nur bei...
Gut analysiert. Nur bei der politischen Ausrichtung...
7an - 2013-10-10 15:08
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Otto Hildebrandt (Gast) - 2013-10-10 14:08

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