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Samstag, 18. April 2009

Ein neues Kapitel



Noch einmal schaute ich mich um. Sah die weißen Säulen mit den Flachbildfernsehern, auf denen Nachrichten liefen. Sah das "Nachrichten-Rad", an dem die Blattmacher über die Ausgabe vom nächsten Tag entscheiden. Dann drehte ich mich um und ließ zwei Jahre Arbeit hinter.

Nach dem Studium war es schwer gewesen. Plötzlich kein Student mehr. Arbeiten. Pendeln. Wenig Freizeit. Wie lange soll das jetzt so gehen, fragte ich mich. Dann, ein halbes Jahr später genoss ich es, morgens mit Zeitung und Kaffee in den Regionalzug einzusteigen. Hektisches Durcheinander am Frankfurter Hauptbahnhof. Aktentaschen und Anzüge. Gebraucht zu werden. Eine Aufgabe zu haben. Sich bewähren zu können.

Trotzdem: Der Stress war enorm, die Abwechslung nicht nennenswert. Aber vielleicht auch gar nicht so erwünscht. Erstaunlich, wie schnell man zufrieden ist mit seiner kleinen Welt. Und auch, wenn ich nebenher endlich gescheite Artikel für die Zeitung schreiben konnte, mich endlich auch dort durchsetzen konnte, war klar, dass noch etwas Neues kommen musste. Nicht nur eine andere Redaktion, sondern etwas wahrhaftig Neues.

Nun wohne ich seit zwei Wochen in Reutlingen und besuche die Zeitenspiegel-Reportageschule. Es ist wieder wie in der Uni. Wie im Journalismus-Seminar. Aber doch ist nichts mehr wie früher.

Das liegt nicht unbedingt daran, dass die Schule arbeitsintensiver ist oder dass ich jedes zweite Wochenende durcharbeiten muss, um das Nötigste zu verdienen. Es liegt daran, dass ich älter bin.

Mit Anfang 20 drängt man hinaus in die Welt, möchte endlich etwas erleben, raus aus dem Elternhaus. Endlich Student sein, eine neue Stadt, was für ein Leben. Aber diese Zeit kommt nicht wieder. Sie ist einmalig. Und wer Jahre später erst oder noch einmal studiert, muss zwangsweise nostalgisch werden. Die Uhr hat sich schon weitergedreht. Das Leben wird komplizierter. Auf einmal denkt man nicht mehr ausschließlich an den nächsten Barbesuch oder die schönsten Fernsehserien, sondern daran, dass man bald 30 (oder noch älter) wird. Man denkt daran, dass man vielleicht in drei, vier Jahren schon Kinder haben wird. Man denkt daran, dass man noch nie im Ausland studiert hat. Man denkt daran, dass man auch noch reisen möchte, weil man es sein ganzes Leben nicht geschafft hat, nicht bereit war oder kein Geld dafür hatte. Und einem wird bewusst, dass plötzlich nicht mehr die ganze Zukunft vor einem liegt. Vielleicht möchte man noch einen Master machen oder promovieren. Man merkt, dass die Zeit für all diese Sachen eng wird.

Komisch, wo man doch eigentlich noch fast sein ganzes Leben vor sich hat. Aber irgendwann muss man mehr Verantwortung tragen. Und sei es nur über sich allein.

Aber Schluss mit der vorauseilenden Nostalgie! Ich bin hier, ich habe den nächsten Schritt gemacht, habe die Seite umgeblättert, meine Heimat aufgegeben. Darmstadt war schön, aber stand beinahe komplett still. Man kann sein Glück nicht festhalten, man muss ihm folgen.

Reutlingen also. Hübsche Stadt. Idyllisch, wenn auch provinziell. Der Geist wohnt nebenan in Tübingen. Tolle Wohnung zusammen mit meiner Freundin. Guter Unterricht in der Schule. Alle Dozenten sind Praktiker, alle noch aktive Schreiber. Es ist eben eine Journalistenschule. Da sitzen keine Dozenten, sondern Journalisten, Reporter. Schulgründer Philipp Mausshardt alleine schon. Alle halbe Stunde klingelt sein Handy. Redaktionen rufen an. Schnell kann es da heißen: Wir brauchen Dich und zwei Deiner Schüler. Ebenfalls jeden Tag: eine Stunde Konferenz. Was für Themen gibt es? Welches gibt genug her?

Wir schreiben jeden Tag. Strenge Textkritik. Vor allem bei der langjährigen Chefin der Nannen-Schule, Ingrid Kolb. Zu unserer Begrüßung und der Verabschiedung der Absolventen reiste GEO-Chef Peter-Matthias Gaede an. Was für eine Rede! Hätte sie aufnehmen sollen. Im Juni dann eine Woche Toskana. Reportagereise. Im Sommer Praktikum. Danach drei Monate Reportagen schreiben (hier die genauen Inhalte im PDF).

Am Ende wird ein eigenes Magazin stehen, aus dem viele, wenn nicht alle Texte ihren Weg in eine Zeitung oder Magazin finden werden. Aber jetzt, jetzt bin ich hier, jetzt ist der Anfang.

PS: Ein paar Bilder meiner neuen Bude gibt es für Freunde im studivz.


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Vielen Dank für diese Sätze: "Es sollte eine sehr gute...
Johanna (Gast) - 2013-12-05 10:34
Gut analysiert. Nur bei...
Gut analysiert. Nur bei der politischen Ausrichtung...
7an - 2013-10-10 15:08
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Nur eine kurze Anmerkung. Journalisten denken von ihrem...
Otto Hildebrandt (Gast) - 2013-10-10 14:08

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