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Donnerstag, 8. Januar 2009

Niemand erreicht selbst etwas

Die Elite redet immer so, als ob sie es selber geschafft hätte. Leistung ist ihr Zauberwort. Minderleister werden all die genannt, die es nicht so weit gebracht haben. Dass der Backwarenverkäufer am Bahnhof, der sechs Tage die Woche von 5 Uhr bis 14 Uhr im Akkord für einen Hungerlohn schuftet, viel mehr leistet als jeder Manager (die würden nämlich nach einer Woche kotzend um Gnade winseln) verstehen sie nicht.

Die Elite oder anders: Alle, die außerordentlich viel erreicht haben, alle Vorstände, alle Superstars der klassischen Musik usw. haben natürlich zweifelsohne Außerdentliches geleistet ... aber: Sie hätten einen Scheiß erreicht, hätten ihre Eltern nicht ihre Ausbildung finanziert und sie schon in jüngsten Jahren gefördert. Das Wunderkind oder den Konzernlenker aus sozial schwierigen Verhältnissen, das mit 18 aus dem Haus gejagt wird, um arbeiten gehen zu müssen, und dem selbst das Gymnasium verboten wurde, dieses Wunderkind möchte ich sehen.

Buchempfehlung: Julia Friedrichs: Gestatten: Elite. Das beste Sachbuch, das ich bisher gelesen habe!

Die Welt der Rockerclubs

Wenn die „echten“ Rocker, die Vollmitglieder, feierten, mussten die Hang Arounds Essen kochen, Getränke ausschenken und die Autos vorfahren. Wer seine Freundin dabei hatte, musste sie als „Ficke“ jedem „Member“ überlassen. Manchmal gab es was auf die Schnauze. Einfach so. Mit 17, 18 habe oft mit Rockern abgehangen*. Der Vater meines damaligen besten Freundes war Vize-Präsi eines Motorcycle Clubs - kurz MC, und wer sich so nennt bzw. das in der Szene beantragt, muss die Regeln der Rockerwelt akzeptieren.

Es war ein kleiner Verein auf dem Dorf. Es waren einfache, ehrliche Männer, manche waren verheiratet. Bürgerliches Leben. Trotzdem war es aufregend.

Ich war in der Zeit bei einigen Rockerfeiern mit dabei gewesen. Besäufnisse und Striptease-Tänzerinnen gefallen einem in dem Alter meist besonders. Und natürlich habe ich auch den Respekt bewundert, den die Kuttenträger bekommen haben. Der Präsident, ein kleiner aber kräftiger Typ mit Vollbart und langen Haaren, hat einmal ein gewaltiges Messer auf einer Feier bei einem befreundeten Club gezogen und damit rumgefuchtelt, nur weil einer seine Freundin angerempelt hatte. Blut floss nicht. Die Jungs hatten auch keine Lust auf große Gewalt. Einer arbeitete sogar beim Bundesgrenzschutz.

Irgendwann gab es jedenfalls Ärger mit einem anderen Club - einem größeren, gewaltbereiteren. Überfälle folgten. Ein paar von den Leuten, mit denen ich abgehangen habe, sollen einmal in einem Auto angegriffen worden sein, während die anderen Rocker mit Baseballschlägern die Scheiben eingeschlagen haben.

Ich erinnere mich auch an eine Situation, die wirklich gefährlich hätte werden können. Es war eine Riesenparty auf einer Wiese neben einem Segelflugplatz. Zelte, Grillbuden, leichtbekleidete Frauen, das ganze Programm. Es war nachts, die Feier war so gut wie gelaufen, da erschienen Motorräder. Dutzende. Alle reihten sich vor uns auf - eine lange breite Front. Dunkle Gestalten, die an ihren Gashähnen drehten. Die Rocker, mit denen ich da war, zogen ihre Metallschlagstöcke. Ich und mein Kumpel sollten im Zelt verschwinden. Wir blieben stehen. Nach ein paar Minuten der Einschüchterung zog die andere Gang ab.

Einige Zeit später löste sich "mein" MC auf. Niemand wollte sich in diese Spirale der Gewalt begeben. Niemand wollte auf ewig in Furcht leben.

* Nicht zu verwechseln mit Hang Around

Warnung vor den Schattenvögeln

Ich sehe gerade, dass die Theater Compagnie Schattenvögel immer noch in der Krone in Darmstadt auftritt. Immer noch mit dem Stück "Vieux Carré". (Bild 1 und 2)

In einem baufälligen Saal sollen die Gäste in "subtropischem Klima von New Orleans" eine "Welt zwischen Bluesbars und Vodoo-Kult" erleben. Vergesst es, es funktioniert nicht. Nicht einmal das Klavier ist echt. Die Laiendarsteller agieren im Rahmen ihrer begrenzten Möglichkeiten. Der Plot, Tennessee Williams hin oder her, wirkt sehr bemüht und zieht sich wahnsinnig. Und dafür darf man bis zu sechszehn Euro bezahlen und zwei Stunden auf harten Stühlen sitzen. Viel Spaß.


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Otto Hildebrandt (Gast) - 2013-10-10 14:08

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