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Donnerstag, 18. Januar 2007

Joggen im Kyrill

Ach, wie gemütlich es doch ist, denke ich mir und schiebe den letzten Bissen Käsekuchen in den Mund. Der gute aus der Mensa und das einzigst Gute überhaupt dort.
Draußen tobt ein starker Wind. Ich nehme noch einen Schluck Kaffee, schaue auf den Bildschirm und lese Nachrichten. Ein Meteorologe empfiehlt, wegen des Orkans das Haus nicht zu verlassen. Soso. Ausgangssperre für die Sofagesellschaft, oder wie?

Durch das Fenster sehe ich, wie sich im gegenüberliegenden Garten eine Tanne aufplustert. Sie rauscht mächtig und kommt sich dabei recht wichtig vor. Der Wind macht sie zu einem großen grünen Drachen, der laut schnaubt. Es klingt wie: "Bleib lieber drinnen. Heute herrscht die Natur über euch Menschen." Hätte sie wohl gerne, die Tanne. Doch auch ich mag Sturm. Also ziehe ich mich um. Zum Joggen.

Mit dem Fahrrad radle ich durch die Dunkelheit. Bis zum Stadtrand ist es nicht weit. Ich biege auf die Allee und sehe Feuerwehr und Polizei. Bäume stutzen und so. Es hat beinahe etwas Dramatisches, wie sie dort hektisch hantieren.
Kurz drauf bin am Feld und stelle mein Rad ab. Ich laufe los. Ein laues Lüftchen kitzelt mich im Gesicht. Der Orkan erscheint mir eher romantisch denn wild. Kyrill kommt immerhin von Cyrillos, der Herrliche. Vielleicht hat das jemand falsch übersetzt und jetzt fühlt sich der "Orkan" furchtbar missverstanden. Ich laufe weiter.

Mir kommt ein anderer Jogger entgegen und ein rot leuchtender Halbkreis in Bodennähe. Ein Hundehalsband mit Inhalt. Dazu die Familie. Ich biege ab. Nun weht der Wind von hinten und pustet mir Strähnen ins Gesicht. Sehr gefährlich ist das nicht. Nach einem Kilometer kommt endlich der Waldrand. Ich springe über die Schranke für Autofahrer und bin im Wald. Hier ist es wirklich finster. Nach ein paar Metern wird es ruhig. Das Lüftchen fegt komplett über die Baumkronen hinweg.

Meter für Meter laufe ich den düsteren Weg entlang und verliere mich in meinem Rhythmus. Eine Kreuzung naht. Sie sieht anders aus als sonst. Als ich näher komme, erkenne ich einen Baum, der quer über den Weg gestürzt ist. Ich klettere drüber und laufe weiter. Ich behalte die Windrichtung und die Bäume im Auge. Keine zwei Kilometer später nähert sich bereits der Waldausgang. Etwas rauscht nicht weit von oben durch die Äste. Ansonsten bleibt alles ruhig.

Ich sehe das Feld und verlasse den Wald. Da überrollt mich von vorne rechts eine Welle. Eine launische Sturmbö. Sie springt mir ins Gesicht, auf den Rücken und dann kommt auch schon die nächste. Vor mir liegt das weite Feld, über mir der umtoste Wolkenhimmel. Nicht schlecht, es wird!, denke ich und schiele zum Hochsitz.

Oben ist es herrlich. Ich stehe so da und genieße die schöne Aussicht. Der Sturm reißt an meinen Kleidern. Ich lache und frage den Sturm lauthals, ob das schon alles sei. Der Hochsitz vibriert ein bisschen. Naja.

Ich laufe weiter, sprinte ein bisschen gegen den Sturm. Er drückt mir derweil den Sauerstoff hochkomprimiert in die Lunge. Die letzten paar hundert Meter gehe ich und beobachte den Himmel. Pauken fehlen, kommt mir in den Sinn. Riesige Pauken auf denen die Sturmgötter trommeln. Wie es jetzt wohl da oben ist? Fallschirmspringen müsste man mal bei so einem Wetter.


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Gut analysiert. Nur bei...
Gut analysiert. Nur bei der politischen Ausrichtung...
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Otto Hildebrandt (Gast) - 2013-10-10 14:08

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