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Mittwoch, 3. Mai 2006

Meine Welt im Schulranzen

Anna ärgert sich. Sie darf noch keinen Schulranzen tragen. Obwohl sie so gerne Schulkind sein möchte. Ich kann Anna verstehen. Sehr gut sogar. Ich bin zwar kein Schulkind mehr, aber Student. Das ist eigentlich nichts anderes. Na gut, zwischendurch bin ich erwachsen geworden (seit einem Jahr fühle ich mich sogar wirklich so). Ich bin zu Hause ausgezogen und habe hier und da gejobbt und hospitiert. Und doch bin ich ein Schulkind geblieben. Ein Bildungskind um genau zu sein. Man kann so viele Praktika machen, wie man möchte. Solange man nicht fest im Berufsleben steht oder stand, ist man ein Bildungskind. Ich bin 26 Jahre alt und ich kenne nichts anderes. Mein ganzes Leben habe ich in Schule und Uni verbracht.

In gut einem Jahr wird es vorbei sein. Ein schöner Gedanke, fertig zu sein. Nicht als Langzeitstudent zu enden (Bei acht Semestern bis zum Diplom drohte wohl keine Gefahr). Geld zu verdienen wäre auch nicht schlecht. Trotzdem: Ich habe Angst. Nicht, weil ich dann wirklich arbeiten muss. Das Studentenleben ist schon angenehm, aber richtiger Journalist zu sein, ist sicher sexy. Weiße Hemden tragen, abends immer Scotch trinken und so. Vielleich auch einfach weniger Clooney-Filme schauen. Nein, ganz ehrlich. Ich genieße es, mit einem Dutzend anderer Studenten in der Uni zu sitzen, der Professorin zu lauschen und angeregte Debatten zu führen. Ich mag mittlerweile sogar klassische Literatur und Klaviermusik. Ich bin kein Brotstudent, wie Schiller diejenigen nannten, die nur für ein "Amt" lernen und nicht mit den Wissenschaften "den Geist nur als Geist vergnügen". Solche Kommentare unterstütze ich dann gerne mit Aussagen des Deutschlandfunks. In deren Politischem Feuilleton hieß es vor kurzem: "Wo aber bloß Anwendungswissen und schnelle Abschlüsse ganz oben stehen, wird sich eine weitergehende Intellektualität, die Lust auf Diskurs [...] kaum noch entwickeln können." Klingt wichtig. Ist es auch.

Ich brauchte bis zur elften Klasse, um zu erkennen, dass Bildung interessant sein kann. Kein Wunder, in der Realschule, in der ich vorher war, lernte man ja nicht einmal selbständig zu denken. Unterricht ist wie eine Blume mit hauchdünnen Blättern. Wird der Wind zu stark, zerreißen sie und die Schönheit ist dahin. Dieser Wind kann auch ein nur mäßig engagierter Lehrer sein. Meine Blume hat ihre Zeit bald hinter sich. Obwohl es noch soviel neues zu lernen gibt.

Manchmal wäre ich gern noch mal auf dem Gymnasium. Okay, auf manche Fächer könnte ich verzichten. Aber wieso habe ich ständig dieses Gefühl, etwas verpasst zu haben?
Nach dem Zivildienst war noch alles in Ordnung. Viel Perspektive. Doch schon mit dem ersten Unitag bereute ich, dass ich schon acht Semester später fertig sein würde. Ich kann mir nicht vorstellen mein Studentenleben vollends und endgültig zu verlieren. Ich werde auf dem Weg zur Arbeit Studenten sehen, ich werde auf WG-Partys mit Studenten anstoßen. Verdammt noch mal, ich bin doch noch so jung. Apropos: Kann man eigentlich irgendwo in netter Runde Latein lernen?


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Otto Hildebrandt (Gast) - 2013-10-10 14:08

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