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„Wir brauchen mehr Typen“

Joachim Braun, Chefredakteur des Nordbayerischen Kuriers, ist frustriert. Viele Volontariatsbewerber sind ihm zu angepasst, viele hätten den digitalen Wandel nicht begriffen. Seine neueste Volontärin hat er sich selbst gesucht – im Netz.

Interview: Jan Söfjer

Wie findet der Chefredakteur des Nordbayerischen Kuriers eine Volontärin im Internet?

Ich bin über den Blog eines Medienberaters auf sie gestoßen.

Maximiliane Rüggeberg schrieb unter dem Titel „Ausbeutungsmaschine Journalismus“ in ihrem eigenen Blog über die Suche nach einem Volontariat. Mal wurden ihr 1.000 Euro brutto angeboten, mal sollte sie ein Jahr vorab als Praktikantin arbeiten. Was hat Sie an dem Text fasziniert?

Ich fand das mutig. Mir hat gefallen, dass sie sich hinstellt und ohne diplomatische Vorbehalte schreibt, was ist. Ich dachte mir, das ist ein „Typ“, und „Typen“ brauchen wir in unserer Branche. Ich leide immer wieder darunter, dass wir so viele Bewerbungen von angepassten jungen Leuten bekommen. Ich brauche niemanden, der nur schaut, was die älteren Kollegen machen, sondern Mitarbeiter, die unkonventionell denken.

Läuft man dann nicht bisweilen Gefahr, Exzentriker zu bekommen?

Es gibt nur gute und schlechte Journalisten. Und je größer die Vielfalt in einer Redaktion, desto besser ist es für das Produkt.

Auch beim Nordbayerischen Kurier müssen Bewerber angeblich zuerst ein Jahr lang als schlecht bezahlte freie Mitarbeiter arbeiten – ohne Garantie auf die Stelle. Was ist da dran?

Als ich hier von eineinhalb Jahren anfing, gab es das sogenannte x-bay-Praktikum: Ein angestellter Praktikant, in der Regel ein Abiturient, bearbeitet für knapp 800 Euro im Monat die Jugendseite und kann dort experimentieren. Vor meiner Zeit wurden diese jungen Leute offenbar fast immer als Volontäre übernommen. Bei mir war das Programm, das wir jetzt zum 1. Oktober einstellen, aber nie Voraussetzung für ein Volontariat.

Müssen Volontärsbewerber heute bloggen und twittern?

Schön wär’s. Wir haben rund 100 Bewerber im Jahr auf zwei Stellen. Bei vielen wird schon im – oft auch noch holprigen – Anschreiben deutlich, dass sie den digitalen Wandel, in dem wir uns befinden, nicht verstehen. Vielleicht hat das aber auch damit zu tun, dass Zeitungen nicht attraktiv sind, für Leute, die im Netz zuhause sind.

Dann suchen Sie sich ihren Nachwuchs lieber selbst online?

Das sind Zufälle. Ich habe aber auch schon einen Redakteur über Facebook gefunden.

Was ist Ihnen sonst noch bei Volontärs-Bewerbern aufgefallen?

Die meisten möchten nur weiche Themen machen, schöne Geschichten. Vielen fehlt das Grundverständnis und die Bereitschaft, sich mit politischen Themen auseinanderzusetzen.

Rüggeberg war es wichtig, eine Stelle zu bekommen, die Nach Tarif bezahlt wird. In Ihrem Blog schreiben sie jedoch, sie halten den Tarifvertrag für keine gute Sache, weil dort „die Sitzredakteure, die Bremser“ belohnt würden.

Ich kritisiere den Tarifvertrag, weil sich die Bezahlung nach Dienstjahren statt nach Leistung und Motivation richtet. Bei Volontären ist er aber in jedem Fall wichtig, weil damit ein Standard gesetzt wird, auch in der Ausbildung. Volontäre sind keine Billigredakteure.


Zur Person: Joachim Braun ist seit 2011 Chefredakteur beim Nordbayerischer Kurier in Bayreuth. Davor war er Redaktionsleiter beim Tölzer Kurier (Lokalredaktion des Münchener Merkur).

Erschienen im Medienmagazin journalist 10/2012

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Vielen Dank für diese Sätze: "Es sollte eine sehr gute...
Johanna (Gast) - 2013-12-05 10:34
Gut analysiert. Nur bei...
Gut analysiert. Nur bei der politischen Ausrichtung...
7an - 2013-10-10 15:08
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Nur eine kurze Anmerkung. Journalisten denken von ihrem...
Otto Hildebrandt (Gast) - 2013-10-10 14:08

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