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Samstag, 27. August 2011

Syrien – Deutsche Reporter recherchieren unter Lebensgefahr

Syrien ist derzeit einer der gefährlichsten Orte für Journalisten. Vier Reportagen aus Syrien habe ich bisher gelesen, eine auf newyorker.com, zwei im Spiegel. Doch keine zeigt so anschaulich, wie das syrische Volk unter den mordenden Truppen von Assad leidet, wie die Reportage von Wolfgang Bauer in der aktuellen ZEIT. Ein atemraubendes Stück unter großen Gefahren in der syrischen Stadt Homs recherchiert.

Immer wieder durchschneiden Schussgarben die Stille in den Straßen. Als Ahmed jetzt vors Haus tritt, mit geradem Rücken, um bloß keine Angst zu zeigen, wie der Mitfünfziger sagt - „das riechen die,“ sagt er, „darauf sind die gedrillt“ -, da flüchte ich, der Besucher aus dem Ausland, in den hinteren Teil der Wohnung. Das Haus von Ahmed und Faten ist mein Versteck. Im Familienrat haben sie beschlossen, für mich alles aufs Spiel zu setzen, die Freiheit und ihr Leben – damit diese Reportage geschrieben werden kann.
Im Gegensatz zu anderen Berichten und Reportagen sieht Bauer vieles selbst: Kinder mit zerschossenen Füßen in einem Krankenhaus, das von Männern mit Kalschnikows beschützt werden muss - damit Assads Männer keine verwundeten Demonstranten erschießen. Er bekommt mit, wie ein Freund von Mazen, dem 25-jährigen Sohn der Familie, die Bauer aufgenommen hat, vom Geheimdienst entführt wird. Zwölf von Mazens Freunde wurden in den letzten Wochen ermordet. Einer wurde gefoltert und ist nun im Krankenhaus angekettet, damit er sich nicht umbringt. Stattdessen schmiert er seinen Kot an die Wand, wie Bauer erzählt wird.

Mazen sagt: „Ich werde mich nicht festnehmen lassen“, vorher erschieße er sich. Hilflos sieht ihn die Mutter an. „Wo ist mein Sohn?“, schreibt Faten in ihr Tagebuch „Ich vermisse sein Grinsen, sein verschmitzes Lächeln, sein verrücktes Tanzen, und am meisten vermisse ich: seine Liebe zum Leben.“

Bauer hört von Spielplätzen, die voller Blut seien, weil in den Schulen nebenan Menschen eingesperrt seien. Und er trifft Geheimdienste-Offiziere, die nur noch zum Dienst gehen, weil sie Angst um ihre Familien haben. 12.000 Menschen sollen alleine in Gefängnissen ermordet worden sein, sagt ein Offizier.

Bauers Recherche in Homs war lebensgefährlich. Als Panzer Homs zu umschließen drohen, flieht er. Der Familienvater Ahmed bringt ihn mit dem Auto raus. Plötzlich stehen sie direkt hinter den „Sicherheitskräften“. Schwere Explosionen, Maschinengewehrfeuer. „Da zeigt ein Soldat im Heck eines Busses auf mich“, schreibt Bauer. Drei weitere tun das Gleiche. Dann erreicht der Konvoi eine Kreuzung. Ahmed biegt ab.

„Sie kommen! In eure Richtung.“ - Ein Spiegel-Reporter in Damaskus

Auch im Spiegel erschienen zuletzt zwei Reportagen aus Syrien – eine in der aktuellen Ausgabe (nur noch heute im Handel erhältlich). Die Texte sind ohne Namen erschienen, um Autor und Informanten zu schützen.

Der Spiegel-Reporter war in Damaskus und in einem Vorort, da wo die Gewalt am schlimmsten ist. „Nur über einen Internetdienst, unter der Identität eines vor Wochen erschossenen Freundes, ist einer der Führer des örtlichen Oppositionskommitees erreichbar. Erst in letzter Minute wird der Treffpunkt genannt: ein Gemüselaster an einer Kreuzung. Der Fahrer nickt kurz, über Kurvenpfade geht es an den Ortsrand. In einer Ferienwohnung warten die Männer vom Komitee.“ Einer wurde gerade aus dem Folterkeller gelassen. Er bekam so lange Stromschocks an die Hoden, bis er Blut urinierte. Seine Hände zittern noch beim Teeeingießen.

Einer der Männer hat die Gewalt der Assad-Truppen gefilmt. Zwei Stunden Aufnahmen sieht sich der Reporter an. „Sequenzen von abgerissenen Köpfen, zerfetzten Körpern, abgetrennten Füßen, gezielten Einschüssen in Ohr, Auge, Stirn.“

Auch der Spiegel-Reporter hat viel riskiert:

Plötzlich klingt eine Stimme aus dem Funkgerät. 'Sie kommen! In eure Richtung. Mannschaftswagen mit Bewaffneten, einer, zwei, fünf, mindestens acht.' Geduckt schaut Ali über die Brüstung des Balkons. am unteren Ende der Straße patrouillieren bereits Männer mit Kalaschnikows, 'weg, weg!', rasend schnell werden Funkgeräte, das kostbare Satellitentelefon und Taschen gegriffen, durch Garten und Dunkelheit geht es zu einem anderren Quartier. Von überall her melden sich die Beobachter aus anderen Vierteln: Mehrere hundert Mann sind eingerückt, das Stakkato von Maschinengewehrfeuer ist zu hören.


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Johanna (Gast) - 2013-12-05 10:34
Gut analysiert. Nur bei...
Gut analysiert. Nur bei der politischen Ausrichtung...
7an - 2013-10-10 15:08
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Nur eine kurze Anmerkung. Journalisten denken von ihrem...
Otto Hildebrandt (Gast) - 2013-10-10 14:08

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