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Welche digitale Presse?

Alle reden über die Zukunft der digitalen Presse? Doch von welcher digitalen Presse reden sie eigentlich? Sie existiert fast nicht.

Offenbar ist noch niemandem bisher aufgefallen, dass in der Medienbranche seit Jahren eine Geisterdebatte läuft. Seit Jahren fragt sich jeder, wie Journalismus im Internet finanziert werden kann und wer bereit ist, dafür zu zahlen. Bloß: Es gibt kaum eine digitale Presse, für die man zahlen könnte.

Wie sieht denn die digitale Medienlandschaft aus? Wir haben ein paar große Spieler wie Spiegel Online, Süddeutsche.de, Zeit Online. Vielleicht noch die ein oder andere Online-Redaktion, die wirklich die Arbeit einer Tageszeitung leistet. Doch die meisten Online-Redaktionen im Land - die von Lokal- und Regionalzeitungen, dem Rückgrat der deutschen Presse - sind nach wie vor sehr überschaubare Ressorts, die, wenn es hoch kommt, mit einer Handvoll Leuten, Agenturnachrichten online stellen und den ein oder anderen Print-Artikel des Hauses.

Das iPad spielt keine große Rolle

War es das? Jein. Kaum eine Zeitung hat mittlerweile nicht eine iPad-Ausgabe. Doch wie viele Deutsche haben ein iPad? Verglichen mit der Zahl der (potenzieller) Zeitungsleser sicherlich verschwindend wenige. Die meisten können iPad-Ausgaben also gar nicht lesen und sind auch nicht bereit, so ein Gerät zu kaufen. Nicht zuletzt, weil sie vielleicht ein günstigeres Nicht-Apple-Gerät besitzen.

Was aber unterdessen wirklich viele Deutsche besitzen, ist ein Smartphone. Vor allem die nicht ältere Zielgruppe, die wenig bis gar nicht mehr Zeitung liest. Bei den Smartphones selbst besitzt eine Minderheit ein iPhone (ich hörte mal jeder Fünfte), und die Mehrheit ein Android-Gerät - das ab der Version 4.0 das selbe Betriebssystem für Smartphones und Tablets besitzt. Windows 8 spielt nur eine Nischenrolle. Doch auf all diesen Geräten lässt sich kaum eine Zeitung oder Zeitschrift lesen. Am ehesten noch auf dem iPhone, aber das besitzt ja wieder nur eine Minderheit.

Die Masse der Presseprodukte kann von den meisten Menschen digital nicht gelesen werden

Bleibt festzuhalten: Auf den Webseiten finden sich, bis auf wenige Ausnahmen, nur Nachrichten und vereinzelte Print-Texte - oft die besten Texte nicht. Als Beispiel sei nur die Seite 3 der Süddeutschen Zeitung genannt. Okay, man kann sie schon lange als ePaper in der ganzen Ausgabe für zwei Euro erwerben, aber wer macht das? Der klassische Online-Journalismus auf den meisten deutschen Nachrichten-Websites bietet also zumeist ein eher mageres Angebot. Das was den deutschen Journalismus ausmacht, findet sich dort, bis eben auf wenige Ausnahmen, nicht. Obendrein, und das ist wirklich eine Gefahr, wissen vermutlich nicht wenige normale Leser gar nicht, dass Print und Online nicht identisch sind.

Die mobilen Geräte könnten da nun Abhilfe schaffen, aber so gut wie keine Zeitung ist auf den Geräten, welches die meisten besitzen, zu erwerben. Einzig die Süddeutsche Zeitung hat vorgestern eine App für alle Systeme auf den Markt gebracht (und sie ist großartig!), mit der man die Zeitung sowohl abonnieren als auch einzeln kaufen kann. Ich bin mir sicher, wir werden bald, nicht unbeeindruckende Käufer-Zahlen vom Süddeutschen Verlag hören.

Magazine wie der SPIEGEL waren da schon einen Schritt voraus, das Blatt kann man schon eine Weile selbst auf jedem Smartphone kaufen und lesen (auch, wenn das seitwärtsblättern keine gute Usability hat). Anderseits muss man den SPIEGEL immer komplett kaufen.

Warum kann man nicht einzelne Artikel für Centbeträge kaufen?

Die Deutschen lesen verflucht viele Artikel jeden Tag. Noch nie zuvor hatten Zeitungen so eine große Reichweite wie heute. Dank dem Internet. Das Interesse ist also da. Und warum sollte nicht die Bereitschaft da sein, einen angemessenen Preis für eine angemessene Leistung zu zahlen? Bislang war es bloß nicht möglich, jeden Artikel eines Produktes zu kaufen und zu lesen. Meist nicht einmal im Abo.

Man stelle sich nun vor: Jeder Artikel aus jedem gedruckten journalistischen Produkt wäre auf jedem Tablet und Smartphone und auch am Computer einzeln zu kaufen und zu lesen. Ein durchschnittlicher Artikel vielleicht für zehn Cent, eine größere Story für 30 oder 50 Cent. Wie oft wollte ich schon einen Artikel digital empfehlen, konnte es aber nicht, weil er nicht online stand. Und wie oft, wollte ich schon einen Artikel lesen, aber nicht eine ganze Ausgabe kaufen. Bei einer Tageszeitung fällt das nicht so ins Gewicht, aber bei einer Zeitschrift für vier bis acht Euro sehr wohl.

Man stelle sich vor, wie viel Geld jeden Tag umgesetzt werden könnte, wenn nahezu jeder Artikel für einen kleinen Preis zu lesen wäre. Warum muss überhaupt etwas kostenlos sein? Am Kiosk wird man bis heute vertrieben, wenn man zu lange hineinliest - oder auch nur ein Heft aufblättert. Selbst für Agenturtexte könnte man Geld verlangen. Wäre dem Leser eine interessante Nachricht nicht drei oder fünf Cent wert? Sucht er dafür die Nachricht bei einem anderen Anbieter, der sie umsonst offeriert?

Ein weiterer Punkt: Werbung kann in verlagseigenen Apps nicht ausgeblendet werden - wie es viele Nutzer am Heimcomputer oder Laptop machen.

Worum drehen sich diese ganzen Debatten also eigentlich? Der Journalismus hatte noch nie so gute Perspektiven vor sich wie jetzt.
Matthias (Gast) - 2013-08-31 20:36

Ich glauben man könnte das Problem leicht lösen, indem sich alle Online Zeitungen dazu entschließen, eine Bezahlschrank einzuführen. Aber eine solche Gemeinschaftsaktion ist nicht zu erwarten, weil wir uns in einem Verdrängungswettbewerb befinden. Wenn aber nur noch ein oder zwei übrig geblieben sind, dann wird es das sicher geben.

Das Problem ist, dass damit wieder die Einfalt gegen die Vielfalt gesiegt hat. Eine Tendenz die man insgesamt im Internet feststellen kann. Durch die globale Verfügbarkeit und Vergleichbarkeit verschwinden lokale Nischen.
JUICEDaniel (Gast) - 2013-09-26 18:10

Einen Gedanken zu deinem schönen Text: Wenn man für einzelne Artikel zahlen könnte - woher will man dann wissen, ob dieser Artikel wirklich gut ist? (Falls man vielleicht kein 5 Sterne-Bewertungssystem einbauen möchte)

Was ich damit meine: Klar lesen wir in Zeitungen und Zeitschriften ständig einzelne sehr gute Artikel (und können sie dann leider nicht teilen). Aber das Problem ist doch, dass wir im Grunde vorher gar nicht wissen, dass sie gut sind. Und ganz ehrlich: Ich möchte nicht NUR noch das lesen, was andere vor mir (oder Freunde von mir) empfehlen/für gut befunden haben. Dann würde der Journalismus sehr viel einseitiger und mainstreammäßiger werden.

Was ich damit sagen will: Ich finde es nach wie vor gar nicht mal so schlecht, dass es Medien gibt, bei denen wir vielleicht nicht jeden Artikel gut finden oder lesen werden - aber dann doch Perlen darunter finden, die wir nie gelesen hätten, könnte man die Artikel auch einzeln kaufen.

Das nur als Ergänzung(!) zu deinem sehr schönen Artikel, den ich gleich mal bei Storify für meine Linksammlung "September 2013" hinzugefügt habe :-)

Liebe Grüße aus Bonn,
Daniel
Hotcha (Gast) - 2013-10-09 09:16

Von Deppen umzingelt?

Ich wundere mich immer wieder, wie den Verlagsleuten das offensichtlichste, banalste vorgerechnet wird, wie jetzt etwa hier. Ist es wirklich denkbar, dass Verlagsprofis nicht in der Lage sind, die hier dargestellten Probleme und Kundenwünsche zu erkennen, ein Laie aber schon?

Ich lese die Süddeutsche übrigens auf dem Kindle für 1.59. Für mich als Lesen ein erstklassiges Angebot: am Kiosk kostet sie etwa 4 € (in CH), ich kann sie sporadisch kaufen, die eingeschränkte Auswahl bei Amazon ist kein grosses Problem, die Zeitungen sind sich ja zunehmend ähnlich geworden.
7an - 2013-10-09 15:39

Die Verlagsleute sind natürlich auch nicht doof. Aber sie schauen sehr genau, ob sich beispielsweise neue Apps, die wohl nicht ganz so billig sind, rechnen. Und viele Zeitungen haben immer noch eine gute Auflage, auch, wenn sie gesunken ist. Es wird vorsichtig und auf Sicht agiert. Was ich aber in der Tat nicht verstehe, wie es sein kann, dass total abwegige Apps hergestellt werden wie die von der taz: Eins zu eins die Zeitung in voller Größe. Da fällt mir nichts mehr ein.
hamptidampti (Gast) - 2013-10-09 15:46

iKiosk App

Für Smartphones UND Tablets, für Apple UND Android. Immerhin ePaper direkt kaufbar von ziemlich vielen Titeln und Verlagen.
7an - 2013-10-09 16:02

Ein ePaper ist gänzlich ungeeignet, um es digital zu lesen. Nicht mal auf einem PC-Bildschirm macht es Freude. Und auf einem Tablet oder gar Smartphone kann man es ganz vergessen. Man kann nicht ein für den Print entworfenes Layout eins zu eins ins Digitale übertragen.
Joey (Gast) - 2013-10-09 20:36

Ich habe meine Nische gefunden

und die heißt Aljazeera. Egal ob Aljazeera English oder Aljazeera America. Dort gibt es ordentlichen Journalismus und interessante Beiträge. Auf der Startseite finden sich News und auch in die Tiefe gehende Beiträge findet man auf der Seite, zum Beispiel in der Blogs-Sektion (http://blogs.aljazeera.com/). Gegen Aljazeera ist das, was in Deutschland an Journalismus geboten wird, mehrheitlich eine Schande. Es gibt hier und da immer mal eine Außnahme, aber sogar die Tagesschau ist von hohlem Bias durchsetzt. Zeitungen berichten bloß noch über den Müll den irgendwelche Politiker verzapfen, über "Celebrities" oder hauen Agentur-Meldungen am laufenden Band raus.
Die Startseiten der ganzen Webseiten sind doch übersäht mit Politiker-Fratzen.
Das interessiert mich alles überhaupt nicht! Ich will nichts von Politikern und ihren Schmierenkomödien hören, sondern etwas über Politik und Politische Agenda (engl. policy). Celebs können mir gestohlen bleiben, ich will von den Menschen hören, was sie bewegt.

Gestern habe ich beispielsweise diesen wunderbaren Film -- Bullets and Pencils -- gesehen:
http://www.aljazeera.com/programmes/aljazeeraworld/2013/10/pencils-bullets-201310675745335276.html

Da ging es um die Menschen, es wird sich Zeit genommen die Personen Vorzustellen und man erfährt von ihren Lebensumständen und Problemen.

Meiner Meinung nach ist das der Inhalt, -- egal ob als Dokumentation, oder als Reportage in der Zeitung -- der es Wert ist mit Geld unterstützt zu werden. Qualität findet immer einen Weg. Wenn die Verleger wieder heulen, dass sie pleite gehen, freue ich mich regelrecht -- auch wenn es gemein klingt -- weil, die Presselandschaft in Deutschland, bis auf einige wenige Ausnahmen, es nicht besser verdient.
7an - 2013-10-10 02:44

Mit Sicherheit ein guter Beitrag, aber nichts, was vom Schema her in der deutschen Presse nicht auch zu finden wäre. Ein Teil des Problems mag aber sein, dass, was die geschriebene Presse angeht, viele glauben, Online-Nachrichten-Seiten würden diese abbilden. Tatsächlich leben Online-Nachrichtenseiten - wie auch der Name sagt - primär von Nachrichten. Wenngleich nicht nur und manche Online-Redaktionen die Qualität von Tageszeitungen bieten. Aber die Süddeutsche Zeitung ist ein ganz anderes Produkt als Süddeutsche.de, Der Spiegel etwas ganz anderes als Spiegel Online. Die gedruckte Presse muss sich in Deutschland nicht verstecken. Das Problem ist nur, dass sie digital oft noch nicht wirklich präsent ist - die Ausnahme sind allerdings die beiden genannten Titel. Wobei dann natürlich der Leser trotzdem wissen muss, dass es jeweils zwei verschiedene Apps gibt und die Print-Titel auch digital Geld kosten.

Und was das deutsche öffentlich-rechtliche Fernsehen angeht, da haben wir auch einige Sender, die ab und an gute Reportagen bringen. Reportagen, die es im Privatfernsehen nicht gibt.
Otto Hildebrandt (Gast) - 2013-10-10 14:08

Kein Interesse

Nur eine kurze Anmerkung. Journalisten denken von ihrem Produkt her, mit dem sie von den Verlagen bezahlt werden. Verlage denken vom Erlös her. Für sie sind Journalisten Zuarbeiter, mit deren Hilfe sie ein Zeitungspaket verkaufen, das vor allem aus Werbung und Anzeigen besteht. Wenn die Verlage die Artikel einzeln verkaufen, kanibalisieren sie ihr Erlösmodell für vergleichsweise geringfügige Einnahmen. Das tut aber keiner freiwillig.

Genauso bei den Online-Portalen der großen Marken, einschließlich des Spiegel. Die Mehrwert-Artikel dort zu veröffentlichen, würde eine Schwächung der Print-Marke bedeuten. No Go sagen da die Verlagsmanager. Dass alle Print-Marken durch das entkernte Angebot beschädigt werden, wird in Kauf genommen. Manche Marken begehen noch Selbstmord auf Raten, indem sie Print und Online eine unterschiedliche politische Ausrichtung erlauben (Focus und Spiegel), oder die Qualität ins Bodenlose sinken lassen (Bild, SPON). Das ist organisazionssoziologisch interessant, zeigt aber vor allem, dass die Probleme bereits "im Haus" angekommen sind.

Die Situation kann durch die auf dem Print-Erlösmodell basierenden Verlage nicht gelöst werden. Egal ob auf Stiftungsmodellen basierend, wie die FAZ oder die TAZ, oder ohne Rücksicht auf Verluste gewinnmaximierend, wie der Rest der Branche. Nur neue "Verlage", die ganz auf Online-Geschäftsmodelle zugeschnitten sind, werden schließlich Erfolg haben. Natürlich stribt Print nicht vollständig. Bildschirme können Hochglanzmagazine nicht ersetzen, zumal das Drucken immer günstiger wird. Aber Print wird zu einem kommerziell nicht mehr so interessanten Markt mit vielen Nischen. Was mit Sicherheit stirbt, ist die gedruckte Tageszeitung in ihrer bisherigen Form. Springer versucht den Spagat, indem man Print auslaufen läßt, und sich auf "das Internet" als neues Geschäftsmodell einstellt. Nun ist das Internet an sich keine erfolgsversprechende Geschäftsidee, und deshalb habe die Oberen erst eimal Arbeitsurlaub in Silicon Valley gemacht (mit Ehefrauen als Aufpasser, Frau Springer ist ja ein gebranntes Kind), um sich inspirieren zu lassen. Dort haben sie einfach nur gelernt, dass sich für sie keiner interessiert (siehe Keese-Blog). Leute die händeringend nach Ideen suchen, oder eine größere Summe gewinnbringend anlegen wollen, gibt es da wirklich genug.

Man muß sich einfach das Schicksal von Otto-Versand, Quelle und Neckermann anschauen. Hervoragend organiserter Versandhandel mit einer sehr guten Infrastruktur. Von Amazon, Zalando und vielen kleinen Anbietern abgehängt. Auf einmal war der Katalog tot. Zu unflexibel, und eine aufgeblähte Kostenstruktur erlaubte nicht die massiven Preissenkungen, die nötig gewesen wären, um Online zu konkurrieren. Keine Firma erlaubt einem Manager, sich selbst Konkurrenz zu machen und eine noch gewinnbringende Sparte zu beschädigen. Bis es zu spät ist.
7an - 2013-10-10 15:08

Gut analysiert. Nur bei der politischen Ausrichtung und der Qualität von Spiegel Online widerspreche ich.

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