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Donnerstag, 26. März 2015

Warum die Persönlichkeitsrechte des Co-Piloten des Fluges 9525 die Menschen und die Presse spalten

Ich hatte gerade einen Medienbeitrag in meinem privaten Facebook-Profil geteilt. Er zeigte das Foto sowie den vollen Namen des Co-Piloten der abgestürzten Airbus-Maschine. Die Auswertung des Stimmrekorders ergab, dass der Co-Pilot absichtlich den Sinkflug eingeleitet hat, also die Maschine absichtlich hat abstürzen lassen - als der Kapitän kurz das Cockpit verlassen hatte. Der Co-Pilot lies ihn nicht mehr ins Cockpit. Diese Beweislage ist erdrückend.

Folglich gibt es nun ein riesiges berechtiges Interesse an dem verantwortlichen Co-Piloten. Wer war der Mann? Man möchte alles über ihn wissen. Zurecht. Die Gesellschaft und die Hinterbliebenen haben ein Recht zu erfahren, was diesen Menschen angetrieben haben könnte. Der Co-Pilot ist bereits durch die Faktenlage zu einer absoluten Person der Zeitgeschichte geworden (wobei sich hier schon Geister streiten werden). Vielleicht gibt es noch allerletzte Zweifel, aber die Fakten und Schlussfolgerungen sprechen eine ziemlich eindeutige Sprache. Die Presse wird sich also zu Recht mit dem Leben des Co-Piloten auseinander setzen. Die Frage scheint nur noch zu sein: wann?

Nachdem ich den Beitrag geteilt hatte, war ich überrascht, was für eine heftige, harsche Reaktion das erzeugte. Es ging um Persönlichkeitsrechte und die Unschuldsvermutung. Ich habe den Beitrag wieder aus meinem Profil gelöscht. Vorerst.

Ich verstehe die Einwände. Überstürzen wir nichts. Aber machen wir uns gefasst. Gerade lese ich, dass sich N24 auf Twitter entschuldigt hat: "Es tut uns leid, dass wir das Haus des ‪#‎Germanwings‬-Co-Piloten im TV gezeigt haben. Wir werden in Zukunft auf diese Bilder verzichten."

Der mediale Umgang mit dem Co-Piloten wird mit Sicherheit als ein ganz heikler Fall in die Geschichte des Presserechts beziehungsweise der Medienethik eingehen. Weil er so heikel ist. Weil die Faktenlage so erdrückend ist. Weil die Tragödie so groß ist. Die Frage scheint nur zu sein: Wann darf die Presse wie ausführlich über den Co-Piloten, der offenbar der Täter ist, berichten?

Samstag, 31. August 2013

Welche digitale Presse?

Alle reden über die Zukunft der digitalen Presse? Doch von welcher digitalen Presse reden sie eigentlich? Sie existiert fast nicht.

Offenbar ist noch niemandem bisher aufgefallen, dass in der Medienbranche seit Jahren eine Geisterdebatte läuft. Seit Jahren fragt sich jeder, wie Journalismus im Internet finanziert werden kann und wer bereit ist, dafür zu zahlen. Bloß: Es gibt kaum eine digitale Presse, für die man zahlen könnte.

Wie sieht denn die digitale Medienlandschaft aus? Wir haben ein paar große Spieler wie Spiegel Online, Süddeutsche.de, Zeit Online. Vielleicht noch die ein oder andere Online-Redaktion, die wirklich die Arbeit einer Tageszeitung leistet. Doch die meisten Online-Redaktionen im Land - die von Lokal- und Regionalzeitungen, dem Rückgrat der deutschen Presse - sind nach wie vor sehr überschaubare Ressorts, die, wenn es hoch kommt, mit einer Handvoll Leuten, Agenturnachrichten online stellen und den ein oder anderen Print-Artikel des Hauses.

Das iPad spielt keine große Rolle

War es das? Jein. Kaum eine Zeitung hat mittlerweile nicht eine iPad-Ausgabe. Doch wie viele Deutsche haben ein iPad? Verglichen mit der Zahl der (potenzieller) Zeitungsleser sicherlich verschwindend wenige. Die meisten können iPad-Ausgaben also gar nicht lesen und sind auch nicht bereit, so ein Gerät zu kaufen. Nicht zuletzt, weil sie vielleicht ein günstigeres Nicht-Apple-Gerät besitzen.

Was aber unterdessen wirklich viele Deutsche besitzen, ist ein Smartphone. Vor allem die nicht ältere Zielgruppe, die wenig bis gar nicht mehr Zeitung liest. Bei den Smartphones selbst besitzt eine Minderheit ein iPhone (ich hörte mal jeder Fünfte), und die Mehrheit ein Android-Gerät - das ab der Version 4.0 das selbe Betriebssystem für Smartphones und Tablets besitzt. Windows 8 spielt nur eine Nischenrolle. Doch auf all diesen Geräten lässt sich kaum eine Zeitung oder Zeitschrift lesen. Am ehesten noch auf dem iPhone, aber das besitzt ja wieder nur eine Minderheit.

Die Masse der Presseprodukte kann von den meisten Menschen digital nicht gelesen werden

Bleibt festzuhalten: Auf den Webseiten finden sich, bis auf wenige Ausnahmen, nur Nachrichten und vereinzelte Print-Texte - oft die besten Texte nicht. Als Beispiel sei nur die Seite 3 der Süddeutschen Zeitung genannt. Okay, man kann sie schon lange als ePaper in der ganzen Ausgabe für zwei Euro erwerben, aber wer macht das? Der klassische Online-Journalismus auf den meisten deutschen Nachrichten-Websites bietet also zumeist ein eher mageres Angebot. Das was den deutschen Journalismus ausmacht, findet sich dort, bis eben auf wenige Ausnahmen, nicht. Obendrein, und das ist wirklich eine Gefahr, wissen vermutlich nicht wenige normale Leser gar nicht, dass Print und Online nicht identisch sind.

Die mobilen Geräte könnten da nun Abhilfe schaffen, aber so gut wie keine Zeitung ist auf den Geräten, welches die meisten besitzen, zu erwerben. Einzig die Süddeutsche Zeitung hat vorgestern eine App für alle Systeme auf den Markt gebracht (und sie ist großartig!), mit der man die Zeitung sowohl abonnieren als auch einzeln kaufen kann. Ich bin mir sicher, wir werden bald, nicht unbeeindruckende Käufer-Zahlen vom Süddeutschen Verlag hören.

Magazine wie der SPIEGEL waren da schon einen Schritt voraus, das Blatt kann man schon eine Weile selbst auf jedem Smartphone kaufen und lesen (auch, wenn das seitwärtsblättern keine gute Usability hat). Anderseits muss man den SPIEGEL immer komplett kaufen.

Warum kann man nicht einzelne Artikel für Centbeträge kaufen?

Die Deutschen lesen verflucht viele Artikel jeden Tag. Noch nie zuvor hatten Zeitungen so eine große Reichweite wie heute. Dank dem Internet. Das Interesse ist also da. Und warum sollte nicht die Bereitschaft da sein, einen angemessenen Preis für eine angemessene Leistung zu zahlen? Bislang war es bloß nicht möglich, jeden Artikel eines Produktes zu kaufen und zu lesen. Meist nicht einmal im Abo.

Man stelle sich nun vor: Jeder Artikel aus jedem gedruckten journalistischen Produkt wäre auf jedem Tablet und Smartphone und auch am Computer einzeln zu kaufen und zu lesen. Ein durchschnittlicher Artikel vielleicht für zehn Cent, eine größere Story für 30 oder 50 Cent. Wie oft wollte ich schon einen Artikel digital empfehlen, konnte es aber nicht, weil er nicht online stand. Und wie oft, wollte ich schon einen Artikel lesen, aber nicht eine ganze Ausgabe kaufen. Bei einer Tageszeitung fällt das nicht so ins Gewicht, aber bei einer Zeitschrift für vier bis acht Euro sehr wohl.

Man stelle sich vor, wie viel Geld jeden Tag umgesetzt werden könnte, wenn nahezu jeder Artikel für einen kleinen Preis zu lesen wäre. Warum muss überhaupt etwas kostenlos sein? Am Kiosk wird man bis heute vertrieben, wenn man zu lange hineinliest - oder auch nur ein Heft aufblättert. Selbst für Agenturtexte könnte man Geld verlangen. Wäre dem Leser eine interessante Nachricht nicht drei oder fünf Cent wert? Sucht er dafür die Nachricht bei einem anderen Anbieter, der sie umsonst offeriert?

Ein weiterer Punkt: Werbung kann in verlagseigenen Apps nicht ausgeblendet werden - wie es viele Nutzer am Heimcomputer oder Laptop machen.

Worum drehen sich diese ganzen Debatten also eigentlich? Der Journalismus hatte noch nie so gute Perspektiven vor sich wie jetzt.

Samstag, 13. Juli 2013

Bereit, aber nicht gebraucht

Über die Hoffnungslosigkeit einer ganzen Branche

Viele Menschen sagen, das Studium sei die beste Zeit ihres Lebens gewesen. Das sehe ich nicht so. Es sollte eine sehr gute Zeit sein, aber nicht die beste. Alleine schon, weil dann ja die beste Zeit bereits hinter einem liegt. Wer das vergangene Studium also die beste Zeit seines Lebens nennt, hat auch aufgehört, eine bessere Zeit anzustreben. Dennoch muss ich die Tage öfter an meine Studienjahre zurückdenken. Nicht, weil das Leben so frei und schön war, sondern weil es Perspektiven gab.

In den Jahren zwischen 2003 und 2007 wusste ich, dass ich ein zukunftsträchtiges Fach studierte. Es war klar, dass wir gebraucht würden. Online-Journalismus war wichtig. Die Zeiten sahen gut aus. Sicher, es hatte so etwas wie eine Internetblase gegeben, aber das war Geschichte. Verlage investierten nun gezielt in die neuen Medien. Kurz gesagt: Ich war gänzlich unbeschwert und optimistisch. Der Berufseinstieg änderte das.

Im Studium hatten wir sehr viele sehr tolle Sachen gemacht. Nur: Mit dem Arbeitsalltag in den meisten Online-Redaktionen hatte das wenig zu tun. Da gab es nur den Content-Drill. Möglichst schnell, möglichst viel Content durchschleusen - und für diesen Nachrichten-Stress war ich dann doch nicht vorbereitet. Natürlich war der Job schlecht bezahlt, ohne Vertrag oder sonstige Leistungen. Immerhin: Die Frankfurter Rundschau war ansonsten ein toller Laden. Die Kollegen, die Redakteure im Haus sehr nett, eine besondere Gemeinschaft. Trotzdem wollte ich den Job nicht ewig machen. Ich wollte ja schreibender Journalist sein oder werden, große Geschichten recherchieren und schreiben, und nicht nur Content bearbeiten - auch wenn, das sei gesagt, eine gewisse Zeit im Nachrichtengeschäft eine gute Schule ist, eine gute Basis für alles im Journalismus. Dennoch: Ich schlug die Festanstellung als Online-Redakteur (also Content-Verschieber) aus. Ich wäre sonst depressiv geworden. Es folgten Reportageschule, große Stories und zwei Monate beim SPIEGEL.

Nun sind erneut ein paar Jahre vergangen und ich wünsche mir doch etwas aus meiner Studienzeit zurück: die Unbeschwertheit, den Glauben an die Zukunft. Den habe ich nämlich verloren. Meine Tätigkeit als Medienjournalist mag dazu beigetragen haben.

Die Branche ist kaputt. Der Journalismus ein geprügelter Mensch. Die einzigen Nachrichten, die es gibt, sind schlechte. Und sie stoppen nicht. Redakteure werden entlassen, Seiten eingestellt, Autorenhonorare gekürzt, Buy-Out-Verträge aufgezwungen, Büros geschlossen, Tariffluchten begangen, Zeitungen insolvent gemeldet, nicht mal für neue freie Autoren ist Geld da.

Ich sah gerade auf Xing das Profil eines älteren Journalisten. "Arbeit suchend" stand da. Ein Journalist wie aus dem Bilderbuch. Mit Hut und Trenchcoat. 25 Jahre im Job. "Arbeit suchend".

Die Tage telefonierte ich mit einem Kollegen. Auch seit rund 30 Jahren im Job. Ein hochprofilierter Mann. Eigentlich rief ich nur wegen einer kleinen Information an. Am Ende sprachen wir eine halbe Stunde. Er sprach. Es war ein Totengesang auf die Branche. Er musste sich mal Luft machen. Aber es ist klar, dass diese Gedanken seinen Alltag dominieren. Vielleicht nicht immer im Vordergrund, aber doch immer da, wie eine schlechte Grundstimmung. Ich hatte das nicht erwartet. Diese Stimmung kenne ich, mir ist sie auch zu eigen.

Damals im Studium mochte ich besonders die Sonntage. Die Nacht zuvor war ich aus gewesen. Sonntags schlief ich lange. Dann kamen zwei Folgen Star Trek, danach ging ich jobben. Die Tage schaue ich wieder Folgen von Star Trek. Eine Sache gefällt mir ganz besonders: dass die Sternenflotten-Offiziere Teil von etwas besonderem sind. Es ist der Job, auf den sie ihr Leben lang hingearbeitet haben. Und dort angelangt, können sie erst so richtig loslegen. Genau in dieser Position bin ich. Ich habe auch die schönste Profession, die es gibt. Ich habe mich sieben Jahre lang auf hohem Niveau ausbilden lassen, Berufserfahrung und jetzt bin ich bereit - aber die Branche ist es nicht. Sie ist im Niedergang. Ich denke daran, wie es Mal gewesen sein muss bei der Frankfurter Rundschau. Ich habe viele alte Geschichten gehört. Die Rundschau war mal ein besonderer Ort. Jetzt ist kaum noch etwas von der Zeitung übrig und selbst darum bin ich dankbar. Es gibt andere besondere Zeitungen: die Berliner Zeitung. Über sie rollt gerade die zweite Kündigungswelle hinweg. Selbst beim SPIEGEL, hieß es kürzlich, sollen Stellen abgebaut werden. Es gibt tausende von verdammt guten Journalisten da draußen, die nicht wissen, wo sie hin sollen. Die bereit sind, aber nicht gebraucht werden. Wie ich. Und viele von denen, die gebraucht werden, verzweifeln ebenfalls.


Die Debatte dazu auf Facebook

Dienstag, 7. Mai 2013

Die Wahrheit (über Freiberufler)

Als Freiberufler schläft man lange, hört dann aber trotzdem früh mit der Arbeit auf, weil man es nicht nötig hat, Geld zu verdienen. Als Freiberufler arbeitet man nur, wenn man konkrete Aufträge abarbeitet, recherchiert und schreibt beispielsweise. Alles andere ist keine Arbeit. E-Mails, Twitter, Korrespondenzen, Rechnungskram, offene Recherchen: Das ist Freizeit. Als Freiberufler hat man daher sehr sehr viel Zeit für alles mögliche - besonders für Erledigungen, Einkäufe und Haushaltskram. Eigentlich arbeiten Freiberufler gar nicht richtig, denn sie haben ja nicht mal einen richtigen Job.

Aus: Dinge, die am Ende doch irgendwie immer wieder gerne von prinzipiell jedem (der nicht selbst Freiberufler ist) gegen Freiberufler verwendet werden.

Montag, 25. März 2013

Über die Verlogenheit politischer Journalisten

Frank A. Meyer schreibt im Cicero über die Verlogenheit von politischen Journalisten. Und er hat ein wirklich schönes Beispiel zur Hand. Wir erinnern uns noch an Steinbrücks Kritik am zu geringen Kanzlergehalt - und damit vielleicht seinem künftigen Gehalt. Und der Gier, die ihm angekreidet wurde. Meyer erzählt, wie es dazu kam:

Die Journalisten Christiane Hoffmann, Eckart Lohse und Markus Wehner interviewen für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung den Kanzlerkandidaten der SPD. Sie thematisieren die geringen Gehälter der Politiker im Gegensatz zu den bonusfetten Bezügen in der Wirtschaft. Die Frage an Peer Steinbrück lautet: „Verdient die Kanzlerin zu wenig?“ Eine schlichte, eine klare, eine direkte Frage – sollte man meinen. Die Aufforderung zu einer schlichten, einer klaren, einer direkten Antwort – sollte man meinen. Peer Steinbrück ging auch genau so darauf ein – schlicht, klar, direkt: „Eine Bundeskanzlerin oder ein Bundeskanzler verdient in Deutschland zu wenig – gemessen an der Leistung, die sie oder er erbringen muss, und im Verhältnis zu anderen Tätigkeiten mit weit weniger Verantwortung und viel größerem Gehalt.“ Peer Steinbrück sagte, was er denkt. Zur Zufriedenheit der drei Journalisten – sollte man meinen. Weit gefehlt! In derselben Ausgabe der FAS wird dem Interviewpartner die eingeforderte Aussage sogleich mit voller Wucht um die Ohren gehauen: „Kanzler-Bezüge: Steinbrück und das liebe Geld“, lautet der vorwurfsvolle Titel auf Seite eins. Und der Autor des Aufmachers, Majid Sattar, gibt sich verzweifelt: „Warum will ihm nichts gelingen?“
Ehrliche Sätze würden zum publizistischen Straftatbestand, sagt Meyer und fordert: "Interviewte Politiker müssten von den Journalisten vor der Einvernahme die Belehrung empfangen: 'Alles, was Sie jetzt sagen, kann gegen Sie verwendet werden.'"

Meyer erwähnt dann auch noch Steinbrücks Aussage, er kaufe keinen Pinot Grigio unter fünf Euro. Da war er dann der Luxus-Sozi. Ganz zu schweigen vom damaligen Linke-Chef Klaus Ernst, der sagte, zwölf Euro für einen guten Wein, seien ein Spitzenpreis. Riesenempörung. Dabei weiß jeder, der auch nur einmal im Leben mehr als 1,99 Euro-Wein getrunken hat, dass man im Weinladen quasi keinen Wein unter fünf Euro findet. Und jeder, der auch nur einen Hauch von Interesse an Wein hat, weiß, dass man Fünf-Euro-Weine gut zur Pasta am Mittag nehmen kann, etwas bessere Weine aber erst ab zehn Euro beginnen, wirklich gute ab 15/18 Euro - nach oben offen. Und was für Wein trinken diese Journalisten eigentlich, die Steinbrück und Ernst eine Flasche für zwölf oder gar fünf Euro ankreiden? Lieblichen im 1,5-Liter-Tetrapack?

Viele Journalisten verwechseln eine kritische Haltung mit schlechtem Charakter. Eine kritische Haltung bedeutet nicht, sein Gegenüber in die Pfanne zu hauen. Es bedeutet fair und standhaft zu bleiben, auch unbequeme Fragen zu stellen, offen anzusprechen - selbst, wenn das den Journalisten selbst unter Druck bringt.

Freitag, 22. März 2013

Die Denunziation der Ost-Europäer durch die deutsche Presse

Das Spiel funktioniert: Innenminister Friedrich warnt vor immer mehr Armutsflüchtlingen aus Ost-Europa, deutsche Städte warnen, sie kämen mit diesen Menschen nicht zurecht, die Zahl dieser Einwanderer soll sich in den letzten Jahren mehr als verdoppelt haben. Die Medien: berichten darüber, greifen diese Zitate, Warnungen und Zahlen auf. Aber: Sie stimmen nicht.

Zwei Drittel derjenigen, die nach Deutschland kommen, bleiben nicht, berichtet das NDR-Medienmagazin Zapp. Überhaupt: Es kommen nicht nur Arme, sondern der Bevölkerungsquerschnitt, viele Ärzte und Studenten. Das passt zu einer Beobachtung, die ich kürzlich bei einer Recherche in einem Krankenhaus gemacht habe. Alle jungen Ärztinnen (es waren alles Frauen) kamen aus Ost-Europa. Der Grund: Es fehlen qualifizierte Ärzte bei uns im Land, wohl nicht wenige deutsche Ärzte gehen in Länder, wo sie mehr verdienen und weniger Stress haben. Doch die deutschen Medien von der FAZ über Maischberger bis zum Heute Journal greifen Zahlen und Zitate auf, die Panik und Ablehnung von Menschen aus Ost-Europa schüren. Hinterfragt wird wenig bis nichts. Stattdessen: Vermeintlicher "Zigeuner-Alarm". Wir erinnern uns an die Schweizer Weltwoche mit seiner Schlagzeile "Die Roma kommen." Ist ja noch plakativer, Bürger aus Ost-Europa, die nach Deutschland kommen, pauschal als Sinti und Roma zu bezeichnen und damit diese Gruppe zudem mit Negativem zu verbinden.

Übrigens: Wenn ich in ein anderes Land umziehen würde, würde ich von mir selbst gar nicht als Migrant denken und reden. Ich würde einfach, in einem anderen Land arbeiten. Vielleicht weil der Begriff Migrant selbst schon eine leichte negative Konnotation hat. Aber auch, weil es ich es als normal und mein Recht betrachte, zu leben und zu arbeiten, wo ich möchte. Dieses Recht erkennen wir anderen bisweilen aber ab.

Mittwoch, 27. Februar 2013

Eine Erinnerung an Felix Helbig

Felix Helbig war die Nachwuchs-Hoffnung der Frankfurter Rundschau. Mit 32 Jahren starb er überraschend - und wurde an dem Tag beerdigt, an dem seine Zeitung gerettet wurde.

Felix war immer da. Als mich mein Online-Chef bei der Frankfurter Rundschau 2007 nach einem halben Jahr "runter" in den Newsroom der Stadt- und Regional-Redaktion schickte, damit ich mich um deren Online-Ressorts kümmere, habe ich Felix zum ersten Mal wahrgenommen. Er war immer da. Lokalreporter. Rein raus. Den ganzen Tag. Jeden Tag. Dabei studierte er noch - irgendwie, nebenbei. Später wurde er Volontär, dann Redakteur und erlangte Aufmerksamkeit mit besonderen Recherchen. Das Medium Magazin zeichnete ihn als besonderen Nachwuchs-Journalisten aus.

Ich war mit Felix Helbig nicht befreundet. Aber mir war klar, dass er nicht irgendein Journalist war. Dass er nicht später zu irgend einem PR-Verein wechseln würde. Felix war für mich der junge Mr. Rundschau. Auch weil klar war, dass er nie woanders hin gehen würde.

Es ist gar nicht lange her, da sah ihn - zum letzten Mal. Es war vergangenen Sommer auf der Durchreise morgens am Frankfurter Südbahnhof. Die Rundschau hat nebenan ihren Sitz. Ich sah Felix durch eine Scheibe die Rolltreppe hochkommen. Wir sahen uns kurz an. Zu kurz, zu beiläufig für ein Wiedererkennen. Dann vor ein paar Wochen rief ich ihn an. Ich sollte für journalist - das Medienmagazin ein Portrait über einen FR-Redakteur schreiben, über das Arbeiten mit der Insolvenz im Nacken. Felix war der Erste, der mir in den Sinn kam. Felix war die Frankfurter Rundschau. Er war ein Teil der Zukunft der FR. Aber Felix wollte nicht. War ja auch kein schönes Thema.

Gerade eben lese ich: Felix ist tot. Gestorben nach einem Unfall auf der Autobahn A661 - "nicht an den Folgen des Unfalls, sondern an einer Krankheit, die keine Vorwarnung kennt", heißt es in seinem Nachruf. Keine Ahnung, was das bedeuten soll.

Felix wurde 32 Jahre alt. Jahrgang 1980. Wie ich. Heute war seine Beerdigung. Zur selben Zeit wie die Pressekonferenz, auf der verkündet wurde, dass die FR nicht eingestellt wird, sondern die FAZ sie weiterführt. Seine Rundschau, die Zeitung, bei der er groß geworden war, werde nicht untergehen, sagte er, die letzten Wochen. Alle zweifelten. Felix nicht.

Dienstag, 26. Februar 2013

Der finanzielle Niedergang des Guardian

Kündigt der Guardian betriebsbedingt den ersten Redakteuren mit Wolfgang Blaus Amtsantritt?

Die Guardian Media Group (Guardian plus Sonntagsblatt Observer) verliert jede Woche über eine Million Pfund. Im vergangenen Geschäftsjahr betrug der Verlust 75,6 Millionen Pfund. Alleine das neue, gläserne Bürogebäude in der Nähe des Londoner Bahnhofs King's Cross kostet zwölf Millionen Pfund Miete im Jahr.

Wie wohl kein anderer Chefredakteur hat Alan Rusbridger auf das Digitale gesetzt. Der Guardian ist online eine der weltweit am meisten gelesen Zeitungen. Doch die Online-Erlöse, auf die Rusbridger so setzt, betragen nach wie vor nur ein Viertel der Gesamt-Erlöse. Zugleich ist die gedruckte Auflage von gut 400.000 Exemplaren (2005) auf 200.000 gefallen. Doch von Bezahlmodellen will Rusbridger nichts wissen. Einzig die iPhone und iPad-App sollen angeblich etwas kosten. Schon bei der Android-App ist von einer Bezahlschranke aber keine Spur. Was alles sehr merkwürdig ist, denn wer zahlt für eine App, wenn die Website umsonst ist?

Während die New York Times und die schwedische Tageszeitung Aftonbladed derweil mit ihren Bezahlmodellen mehr Einnahmen online als mit den jeweiligen Print-Ausgaben erzielen, macht der Guardian weiter herbe Verluste.

Im April fängt der Zeit Online-Chefredakteur Wolfgang Blau beim Guardian als Digital Strategy Director an. Es ist nicht zu erwarten, dass er von Rusbridgers Linie abweicht. Auch Zeit Online war bislang sehr konsequent darin, für die Website kein Geld von den Lesern zu verlangen. Das fordert aber nun seinen Preis. Wohl recht zeitgleich mit Blaus Amtsantritt dürften beim Guardian die ersten Redakteure betriebsbedingt gekündigt werden. Bereits im Sommer hatte die Guardian-Gruppe versucht, rund 100 Angestellte loszuwerden.

Quellen: - http://www.zeit.de/2013/06/Guardian-Medien-Internet-Journalismus/komplettansicht
- http://www.taz.de/!108878/
- http://mediahsba.blogspot.de/2012/08/der-erfolg-des-guardian-in-den-neuen.html

Mittwoch, 30. Januar 2013

"Mein Kampf mit Hitler"

haffner

Heute vor 80 Jahren wurde Hitler zum Reichskanzler ernannt und übernahm die Macht in Deutschland. Das ZDF hat zu dem Thema einen sehr schönen und interessanten dreiviertelstündigen Dokufilm produziert, der Spielfilmszenen mit Archivbildern vermengt.

"Mein Kampf mit Hitler" zeigt die wahre Geschichte des 25-jährigen Rechtsreferendars Sebastian Haffner, der 1933 die Machtübernahme Hitlers in Berlin erlebte. Er wurde Zeuge eines dramatischen Umbruchs, sein bester Freund musste fluchtartig emigrieren, Haffners Liebe zu einer Jüdin zerbrach. Hier kann man sich den Dokufilm ansehen: http://bit.ly/XSokQ6

"1933. Der Anfang vom Ende des deutschen Judentums"

montag

"Heute ist also Hitler Reichskanzler, eine nette Gesellschaft, na die werden auch mit Wasser kochen, bleibt abzuwarten was nun kommt!", schreibt Rosa Süss aus Mannheim 1933 an ihre frisch vermählte Tochter Liselotte und deren Mann Manfred Sperber, die in Italien ihre Flitterwochen verbringen. Bis Ende 1933 sollten über 300 Erlasse, Verordnungen und Gesetze den Juden in Deutschland das Leben schwer machen.

Das Jüdische Museums Berlin hat anlässlich des 80. Jahrestages von Hitlers Machtergreidung das Online-Projekt "1933. Der Anfang vom Ende des deutschen Judentums" gestartet. Bis Ende 2013 werden Zeugnisse der Entrechtung und Verdrängung wie auch Belege des normalen Alltags der deutschen Juden gezeigt. Mehrmals in Monat werden Dokumente und Fotografien präsentiert – jeweils 80 Jahre nach ihrer Entstehung. Die gezeigten Objekte, darunter Urkunden und Ausweise, Briefe und Postkarten, Anträge und Protokolle, Tagebucheinträge, Notizen und Fotografien, geben Einblick in die unmittelbaren und indirekten Auswirkungen der anti-jüdischen Maßnahmen sowie in die Reaktionen, die sie hervorriefen.

Hier geht es zum Online-Projekt: http://bit.ly/X8iNEi

Montag, 14. Januar 2013

Dürfen Journalisten Parteimitglieder sein?

Der taz-Redakteur Felix Dachsel hat sich als SPD-Parteimitglied geoutet. Journalismus und Parteimitgliedschaften, das geht nicht gut zusammen - denkt man, und irgendwie ist es auch so, aber muss es zwangsläufig zu sein? Vor zwei Jahren wollte ich selber in die SPD eintreten.

Ich saß damals in einer Schöneberger Bibliothek, wo ich immmer zum Schreiben hinging, und entdeckte zufällig das Buch: "... auf dem Dienstweg: Die Verfolgung von Beamten, Angestellten und Arbeitern der Stadt Berlin 1933 bis 1945".

Ich las die Geschichte vom damaligen Oberinspektor des Bezirksamtes Kreuzbergs, Friedrich Küter (SPD). Er benutzte nicht den Hitlergruß und fragte Leute, die mit dem Hitlergruß grüßten, ob es keinen "Guten Tag" mehr gebe. Küter verschwand im KZ. Nach der Geschichte wollte ich in die SPD eintreten. Um irgendwie meinen Beitrag für die Demokratie zu leisten. Ich war aber unsicher, wegen unabhängigem Journalismus und so, auch, wenn ich gar nicht über Politik schreibe.

Ich schrieb jedenfalls Heribert Prantl von der SZ einen Brief und fragte ihn, was er darüber denke. Er antworte, meine Begründung sei aller Ehren wert, aber grundsätzlich sei er bei sowas skeptisch, da es bei "(politischen) Journalisten" die "Besorgnis der Befangenheit" wecke, "um es juristisch zu formulieren". Ich bin dann nicht eingetreten und vermisse auch nichts. Ich kann Die Argumente von Dachsel aber völlig nachvollziehen. Zuallererst gilt sowieso: Wir brauchen mehr Journalisten mit Haltung!


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Danke
Vielen Dank für diese Sätze: "Es sollte eine sehr gute...
Johanna (Gast) - 2013-12-05 10:34
Gut analysiert. Nur bei...
Gut analysiert. Nur bei der politischen Ausrichtung...
7an - 2013-10-10 15:08
Kein Interesse
Nur eine kurze Anmerkung. Journalisten denken von ihrem...
Otto Hildebrandt (Gast) - 2013-10-10 14:08

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