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Fatoumata hat jetzt ein Weblog

Mit einer Akademie will Bertelsmann die Pressefreiheit in anderen Ländern stärken.

Von Jan Söfjer

Intajour-Schüler zu Besuch bei Spiegel-Chefredakteur Georg Mascolo
Intajour-Schüler zu Besuch bei Spiegel-Chefredakteur Georg Mascolo. Foto: Bertelsmann

Im September vor zwei Jahren feierte Bertelsmann (RTL, stern) seinen 175. Geburtstag im Berliner Konzerthaus. Mehr als tausend Gäste, darunter Angela Merkel, blickten auf eine Karte von Reporter ohne Grenzen. Viele Länder waren rot oder schwarz, also ohne Pressefreiheit. Um dem etwas entgegenzusetzen, verkündete RTL-Chefredakteur Peter Kloeppel mit Kollegen die Gründung der International Academy of Journalism (Intajour). Ihr Ziel: die Pressefreiheit weltweit mit der Weiterbildung von Journalisten zu stärken. Ein kleiner Beitrag, aber „etwas Bleibendes“, wie der damalige Bertelsmann-Vorstandsvorsitzende Hartmut Ostrowski sagte. Der anwesende EU Kommissionspräsident José Barroso übernahm die Schirmherrschaft. „Die Akademie ist eine Chance“, sagte er. Selbst in Teilen Europas würden heute noch Journalisten ermordet.

400 Bewerbungen

An der Intajour sollen junge, engagierte Journalisten aus Ländern fortgebildet werden, „in denen die Pressefreiheit stark unter Druck steht oder in denen es nur unzureichende Fortbildungsmöglichkeiten gibt“, sagt Schulleiter Werner Eggert. 400 hatten sich für den ersten zehnmonatigen Jahrgang beworben. Gelehrt werden investigative Recherche, Datenbank-Recherche oder Aufnahme und Schnitt von Webvideos, also vor allem digitaler Journalismus, mit dem die Schüler lernen sollen, über Missstände online zu berichten. Die Absolventen sollen aber auch ihr neues Wissen in ihre Redaktionen tragen und „die journalistische Arbeit in ihren Ländern weiterentwickeln“, sagt Eggert.

Die Dozenten sind erfahrene Journalisten wie die Stern-Reporterin Katja Gloger, der niederländische RTL4-Fernsehmoderator Rick Nieman oder der Digital-Vordenker Dan Gillmor. Unterrichtet wird mit einer Mischung aus Webinaren und drei Präsenzphasen in Deutschland.

Im September vergangenen Jahres trafen sich zum Start der Akademie zwölf Journalisten zwischen Mitte 20 und Mitte 30 aus Ländern wie Nicaragua, Ukraine oder Nepal. Sie alle kamen für drei Wochen nach Hamburg und bezogen Räume bei Gruner+Jahr gleich neben der Henri-Nannen-Schule. Diesen Juni wurde nun der erste Jahrgang verabschiedet.

Sieben Stunden in der Woche haben sie neben ihrem Redaktions-Job gelernt, um das Wissen sofort anwenden zu können, drei Mal waren sie auf Kosten von Bertelsmann in Hamburg, Köln und Berlin gekommen. „Der Mix aus Präsenz- und E-Learning-Phasen hat sich sehr bewährt, der Transfer des Gelernten in die praktische Arbeit funktioniert gut“, sagt Eggert. Im zweiten Jahrgang wollen sie aber noch interaktiver vorgehen. Je kontinuierlicher der Austausch der Fellows untereinander und mit dem Trainerteam, desto nachhaltiger der Lernerfolg.

Startschuss für die Karriere

Ludmila Bogheanu aus der südosteuropäischen Republik Moldau hat von der Akademie sehr profitiert. Danke ihres neuen Wissens arbeitet sie nun als verantwortliche Online-Journalismus-Dozentin an der Chisinau-Journalistenschule in der gleichnamigen Hauptstadt und hat ein Programm für Nachwuchsjournalisten in Transnistrien mitinitiiert. Auch für Datenjournalismus begeistert sie sich nun. „Die Intajour war der Startschuss meiner Karriere“, sagt Bogheanu.

Fatoumata Nabie Fofana aus dem westafrikanischen Liberia sagt: „Es ist viel in meiner Karriere passiert, seit ich das erste Mal einen Fuß in die Intajour gesetzt habe.“ Die leitende Redakteurin des Daily Observer in der Hauptstadt Monrovia gibt Foto-Seminare und bringt jungen Kollegen bei,wie sie Geschichten in der Zeitung, Online und als Video erzählen können. Besonders stolz ist sie auf ihr erstes Weblog – ihr Akademiekollege Ujjwal Acharya hat ihr geholfen, es aufzusetzen – online aus Nepal.

„Bloggen und Bürgerjournalismus sind sehr neu für Liberianer“, sagt Fofana. Bis vor drei Jahren konnten sich selbst manche Verlage keinen Internetanschluss leisten, sagt sie. Die Bandbreite reichte nicht mal, um Fotos hochzuladen. Vergangenes Jahr erreichte das Breitband-Seekabel Africa Coast Europe (ACE) Liberia. Das Wissen um professionellen digitalen Journalismus ist nun auch im Land.


Erschienen am 26. Oktober 2012 in der Frankfurter Rundschau.

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