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Donnerstag, 15. September 2011

Warum ZDF-zoom das Presenter-Format nicht verstanden hat

Der Reporter als Presenter ist schwer in Mode. Wie man ihn falsch einsetzt, zeigt das seit Mai laufende Format ZDFzoom.

Heute lief in der Reihe "Die heimlichen Strippenzieher", ein Stück über die Arbeit von Lobbyisten. Das zentrale Element bei allen ZDFzoom-Beiträgen ist der Reporter als Presenter. Redaktionsleiter Christian Dezer erklärt im Blog zur Sendung:

Erzählen soll ein "handelnder Autor" - als Bindeglied zwischen Zuschauer und Thema. Der kann und soll seine Vorgehensweise, seine Recherche und seine Ergebnisse transparent und für den Zuschauer nachvollziehbar machen. Ein handelnder Autor kann das Publikum an die Hand nehmen oder zumindest seine Hand hilfreich ausstrecken, um durch oft vielschichtige und komplexe Themenbereiche zu führen.

Mein Eindruck: Die Reporterin Anna Grün drängt sich in dem nicht uninteressanten Beitrag wahnsinnig auf, ständig ist sie im Bild, nur um im Bild zu sein. Mit Bindeglied zum Thema hat das nichts zu tun. Ich habe nichts gegen das "Ich" in der Reportage und nichts per se gegen Presenter, bisher haben sie mich nie gestört, dieses Mal jedoch gewaltig.

Der ehemalige ARD-Chefreporter Christoph Lütgert hat auch als Presenter gearbeitet. Auf einer Finanz-Veranstaltung versuchte er, Carsten Maschmeyer zu konfrontieren, der mit seiner Finanzvertriebsgesellschaft AWD zahllose Kleinanleger über den Tisch gezogen hat. Auch KIK-Chefs, die mit der Ausbeutung von Menschen in Bangladesch Geld verdienen, hat Lütgert konfrontiert - im Fahrstuhl abgefangen. Das Format war in diesem Fall sinnvoll, weil es zeigte, wie die Verantwortlichen davonlaufen oder sich verstecken.

Bei ZDF Reporter benutzen sie auch das Presenter-Format. Mal arbeitet ein Reporter als Billiglöhner, um die Ausbeutung am eigenen Leib zu erfahren, mal testet er die Servicefreundlichkeit in Geschäften. In den Beiträgen war der Presenter sinnvoll.

Nicht in jedem Beitrag von ZDFzoom ist der Presenter unangebracht. In dem Stück "Der Preis der Liebe - Das Dilemma der Kinderbetreuung" erzählt die Reporterin von ihren eigenen Schwierigkeiten, eine Kinderbetreuerin zu finden. Man kann auch hier darüber streiten, dass die Reporterin sich selbst zur Protagonistin gemacht hat und sich keine gesucht hat, zumindest aber funktioniert es. Anders als in dem Beitrag über den norwegischen Amokläufer Breivik. Was interessiert mich, wie der Reporter im Flugzeug sitzt? Mich interessieren die Ergebnisse und nicht, ob seine Haare gut geföhnt sind. Der Beitrag "Arbeiten bis zum Umfallen - Volksleiden Burnout" beginnt in einem Hochseilpark. Die Reporterin hat Probleme damit, sich abgesichert fallen zu lassen. Man erfährt, dass sie leicht Burnout gefährdet ist. Es vermischt sich die Geschichte mit dem Geschichtenerzähler. Muss ich ein schlechtes Gewissen haben, weil die Reporterin zu viel Stress mit der Burnout-Story hatte? Ich bin ein bisschen abgelenkt.

Bei dem Beitrag "Blutige Geschäfte - Auf den Spuren des Organhandels im Kosovo" trauert eine Frau trauert an einem Grab. Ihre Brüder wurden im Kosovo-Krieg verschleppt. Doch schon in Sekunde 13 sieht man den einen betroffenen schauenden Presenter-Reporter hinter einem Grabstein. Was hat er mit der Geschichte zu tun? Ich möchte die Geschichte der Frau hören, nicht die des Reporters. Danach sitzt er in einem schönen Café am Laptop und simuliert Recherche. Es fehl die Demut vor dem Thema und den Betroffenen.

Auch in dem Stück über Lobbyismus will mir nicht einleuchten, warum ich Anna Grün gefühlte 135 Mal in Nahaufnahme sehen muss, wenn sie einen Lobbyisten interviewt oder mit ihm eine Politikerin besucht. Da wäre es besser gewesen, in den Hintergrund zu treten, um nicht vom Thema abzulenken.

Das Presenterformat ist schon heikel genug, da es immer so aussieht, als hätte der Presenter die ganze Arbeit gemacht, die wahre Recherche erledigt aber in der Regel das Redaktionsteam im Hintergrund. Wenn ein Reporter schon so stark in den Vordergrund gestellt wird, sollte auch die Arbeit der Kollegen gezeigt werden oder der Presenter sagen, dass er die Information hat, weil sein Kollege Hans-Martin Müller acht Wochen lang recherchiert hat. In jedem Fall aber, muss es gerechtfertigt sein, dass der Reporter Teil der Geschichte wird.

Und noch etwas: Ein Presenter drängt sich dem Zuschauer auf, ob es sinnvoll ist oder nicht. Deswegen sollte er kein Internet-Gespenst sein. Zumindest die grobe Vita sollte im Netz stehen. Über Anna Grün hingegen findet man nichts.


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Johanna (Gast) - 2013-12-05 10:34
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Otto Hildebrandt (Gast) - 2013-10-10 14:08

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