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Sonntag, 23. März 2008

Die Funktion der Kritik am Beispiel des Films "Die Welle"

Update: Neue Kommentare und Filmempfehlungen

Und mal wieder habe ich bemerkt, wie wichtig eine gute Kritik ist und wie diese aussehen kann. Es geht um "Die Welle", den neuen Film mit Jürgen Vogel. Er, der Lehrer, möchte vor Faschismus warnen und ruft dafür eine gleichgeschaltete Bewegung ins Leben, die wirklich faschistische Züge bekommt. Alles läuft aus dem Ruder.

Zuerst habe ich bei Spiegel Online von dem Film gehört. Dort gab es ein Inteview mit Vogel und einer anderen Hauptdarstellerin. Zuerst sah ich mir den eingebundenen Trailer an - und war hochbegeistert. Das Interview las ich danach. Und war noch mehr begeistert.

Und jetzt muss ich stopp rufen. Oder hätte es rufen müssen. Trailer und Interviews mit Akteuren taugen wenig bis gar nicht, um etwas einzuordnen und zu reflektieren. Ich hatte sogar spontan überlegt, den Film groß in meinem Blog zu bewerben, habe es aber aus einem Gefühl heraus doch unterlassen.

Jetzt habe ich eben in der Süddeutschen Zeitung, die Kritik zum Film von Tobias Kniebe gelesen (ich muss wirklich sagen, einer, wenn nicht der beste deutsche Filmkritiker, den ich kenne - seine Texte haben mich schon oft umgehauen).

Kniebe zeigt mit seinem Text genau, welche Funktion ein Kritiker haben muss: Er soll nicht über den Film labern, er soll ihn einordnen, ihn reflektieren und bewerten. Das soll nicht heißen, dass er sagen soll, ob der Film gut oder schlecht ist. Das ist ja der Grund, weshalb sich laut einer Studie von Media Perspektiven (siehe: Filmkritiker und Publikum) Kinogänger verunsichert fühlen und Kritiken selten mögen: Sie wollen nicht gesagt bekommen, wie sie den Film finden sollen, daher reichen ihnen Filmbeschreibungen und Trailer.

Doch genau da hakt es. Kritiken sollen helfen, ein Verständnis über ein Werk zu geben, sie sollen kein gut oder schlecht vorgeben - auch wenn der Grad oft ziemlich schmal ist.

Kniebe jedenfalls schreibt in seiner Kritik:

[Der Film sagt:] Es kommt gar nicht darauf an, wofür man sich zusammenschließt (im Film steht die "Welle" zunächst für gar nichts), allein das Gefühl der Gemeinsamkeit ist schon gefährlich und muss die schlimmsten Kräfte entfesseln. Wer aber ausgerechnet damit vor dem Faschismus warnen will, dass er ihn aller Inhalte beraubt; wer die Gefahr ganz unhistorisch und undifferenziert in Nirgendwo verortet; und wer dann auch noch vorgibt, rettende Wachsamkeit zu verbreiten - der ist doch eher ein Teil des Problems als ein Teil der Lösung.
Spiegel Online hat derweil einen Tag später auch noch eine Kritik nachgelegt. Und auch, wenn diese den Film nicht unkritisch behandelt, so zeigt sich doch die Diskrepanz zu Kniebes Kritik, wenn man folgende Spiegel-Zeilen liest:

Der Film über eine Schulklasse, die sich freudestrahlend in Faschisten verwandelt, ist Aufklärung im schnell geschnittenen MTV-Gewand - ohne dabei peinlich zu sein.
(Die Kritik an der Marktwirtschaft am Ende des Textes scheint mir obendrein am Thema des Films vorbeigeschrieben zu sein.)

Dieses Phänomen habe ich schon öfters beobachtet. Spiegel Online (und sogar auch nicht zu selten der gedruckte Spiegel) präsentieren sehr schnell (SpOn) sehr gekonnt appetitliche Inhalte, kratzen aber oft nur an der Oberflächte. Die journalistische Funktion des Informierens wird damit gewährleistet, das des Erklärens und Einordnens nicht.

Ursprünglich veröffentlicht am 12. März 2008


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